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„Ein Ende der DKP wäre gar nicht so erschreckend“

■ 150 BremerInnen nahmen am Wochende am Frankfurter Kongreß der DKP-Erneuerungsströmung teil / Die taz sprach mit Marina Stahmann und Harald Werner

taz: Zweieinhalbtausend Linke haben am Wochenende in Frankfurt über „Erneuerung“ diskutiert. Was sollte erneuert werden.?

Marina Stahmann: Es geht um die Erneuerung linker Politik insgesamt. Für einen großen Teil dieser 2.500 Menschen ging es aber auch immer noch um eine Erneuerung der DKP. Mein Eindruck war aber nicht, daß das das noch das Hauptinteresse war.

Harald Werner: Es geht vor allem darum, die Idee des Sozialismus völlig neu zu denken. Die Suche nach einer Alternative zur bestehenden Gesellschaftsordnung neu aufzunehmen.

Gibts, sagen wir, noch drei Gewißheiten, mit denen man dabei anfangen kann?

Werner: Es gibt Prinzipien, an denen man sich orientieren kann. Zum Beispiel das Prinzip, eine Gesellschaft zu entwickeln, wo die Entfaltung eines jeden einzelnen die Vorausetzung für die Entfaltung aller ist, wie es im Kommunistischen Manifest heißt. Ganz konkret z.B.: Meinungsfreiheit, Pressefreiheit Neue Formen sozialen Zusammenlebens.

200 Jahre nach der französischen Revolution fangt ihr an die Menschenrechte zu entdecken?

Werner: Tja, die Geschichte geht nunmal nicht immer so geradewegs. Wir haben halt Jahrzehnte hinter uns, in denen linke Politik diskreditiert worden ist, weil Linke in die falsche Richtung gelaufen sind.

Der DKP-Parteivorstand hat euch vorgeworfen, mit diesem Kongreß die Spaltung der Partei zu organisieren. Hat er nicht einfach recht?

Werner: Ich habe unserem Parteivorstandsmitglied Ellen Weber auf diese Frage geantwortet, daß der Zeitpunkt der Spaltung schon längst vorbei ist. Die DKP hat bereits tausende von Mitgliedern verloren und befindet sich längst in einem Prozeß der Auflösung und des Zerfalls.

War der Kongreß dazu da, diesen Zerfallsprozeß zu forcieren oder ihn zu stoppen.

Werner: Ich glaube, daß wir es auf diesem Kongreß vor allem geschafft haben, mit der Wiederaneignung unserer Politikfähigkeit zu beginnen. Wenn die DKP dabei noch einige tausend Mitglieder verliert, dann ist das nicht so entscheidend, wenn es uns gleichzeitig gelingt, diese Menschen weiterhin für linke Politik zu interessieren. Ein Ende der DKP müßte uns dann nicht mehr so erschrecken.

Stahmann: Wichtig ist für mich, als Linke weiterhin an politischen Fragen zu arbeiten. Ob das innerhalb der DKP oder außerhalb passiert, ist für mich zweitrangig. Ich persönlich glaube, daß die Möglichkeiten innerhalb der DKP dafür denkbar schlecht sind. Auf dem Abschlußplenum des Kongresses gab es eine große Einigkeit darüber, daß der Kongreß nur ein Auftakt war, daß wir neue organisatorische Strukuren schaffen wollen, und daß wir im März - nach dem DKP-Parteitag - einen Strategiekongreß organisieren, auf dem die Frage „Wie weiter“ diskutiert werden soll.

Ein paar Tage vor dem Kongreß ist Erich Honecker zurückgetreten. Können sich die Erneuerer seitdem nicht ganz beruhigt zurücklehnen, weil sich die jetzt auch die DKP sozusagen zwangsweise und im Schlepptau der SED erneuern muß?

Werner: Uns kommt es gerade darauf an, diesen Erneuerungsprozeß von unten zu organisieren und nicht auf eine Kehrtwende von oben zu warten. Die aktuelle Entwicklung in der DDR wird uns dabei stützen. Aber die Erneuerungs -Arbeit müssen wir hier allein machen. Ob es dabei am Ende noch eine DKP gibt, ob es etwas Neues gibt oder eine neue linke Partei herauskommen wird - das kann ich heute auch noch nicht sagen.

Geht es dabei um mehr als die Angst von Ex-DKPlern und Noch -DKPlern vor der drohenden politischen Heimatlosigkeit? Hat irgendetwas in der politischen Landschaft der BRD - z.B bei den Grünen oder in der SPD -ausgerechnet auf euch gewartet?

Werner: Das müßte man vielleicht eher linke Grüne oder linke Sozialemokraten fragen. Uns haben die auf dem Kongreß eindeutig gesagt: Es gibt einen politischen und idelogischen Platz für Kommunisten in der BRD. Kommunisten haben von jeher für Denkanstöße gesorgt. Wir sind von Sozialdemokraten und Grünen aufgefordert worden, bloß nicht zu resigniern.

Die Reste der DKP als externalisiertes schlechtes Gewissen von Grünen und Sozialdemokraten?

Werner: Zumindest sehen das einige Grüne und Sozialdemokraten so. Und das ist auch sicher eine unserer Funktionen. Aber bestimmt nicht die einzige.

Müssen die Grünen sich jetzt darauf einrichten, daß tausende von geschulten DKPlern, die kaum mit ihrer alten Partei fertig sind, sich in bei den Grünen ein neues Parteibuch besorgen?

Werner: Es gibt einige, die zu den Grünen gehen werden. Es werden aber gar nicht so viele sein. Einmal weil die Grünen selbst keine Basispartei mehr sind. Die Verankerung der Grünen in den sozialen Bewegungen sinkt. Dann haben sich auch bei den Grünen autoritäre Strukturen durchgesetzt, die wir gerade zu überwinden versuchen. Umgekehrt gibt es natürlich auch bei den Grünen große Vorbehalte. Da herrscht die Angst, daß wir in ihren Verein eintreten und versuchen, ihn umzudrehen.

Und? Ist die Angst begründet?

Werner: Ich glaube, nein. Wir haben als Kommunisten jahrelang den Fehler gemacht, für uns eine Avantgarderolle in Anspruch zu nehmen. Jetzt, wo wir gerade kapiert haben, daß wir die Rolle nicht mehr spielen können, wäre es doch absurd, uns schon wieder zur Spitze in einer großen Einheit der Linken zu erklären.

Fragen: Klaus Schloesser

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