Reisekrimis: Giorgio Scerbanenco: "Mord stand nicht im Stundenplan" / Stephen Coonts: "Die Stunde der Jäger"

Dem Übersetzer, der aus dem italienischen „I ragazzi del massacro“ den deutschen Titel Mord stand nicht im Stundenplan machte, gehören dafür ein paar hinter die Löffel. Aber sonst ist der Krimi von Giorgio Scerbanenco schärfstens zu empfehlen: Die Mailänder Fustagni-Abendschule wird Schauplatz einer hemmungslosen Eskalation von Gewalt. „Ein ehemaliger Fremdenlegionär hätte sich besser zum Klassenlehrer geeignet als die zierliche, sanfte junge Dame“, die sich verzweifelt bemüht, einer wilden Horde von verwahrlosten Jugendlichen ein bißchen Bildung einzutrichtern. Die elf Schüler, die eines Abends über die 22jährige Lehrerin herfallen, sie brutal vergewaltigen und regelrecht zerfleischen, waren fast alle schon mal im Jugendgefängnis und haben Alkoholiker als Väter oder Prostituierte als Mütter. Nach dem grauenhaften Mord wird die ganze Klasse verhaftet. Kommissar Duca Lamberti von der Mailänder Polizei hat die Ermittlungen übernommen, er findet das Massaker etwas mehr als seltsam. Vor allem stört ihn die gemeinsame Verteidigungshaltung der Killer-Kids. Jeder einzelne von ihnen streitet keineswegs ab am Abend des Verbrechens im Klassenzimmer ge wesen zu sein, an der Vergewaltigung und dem Mord will aber keiner von ihnen mitgemacht haben. Der Kommissar hält es auch für sehr eigenartig, daß die ganze Bande nach dem Verbrechen seelenruhig nach Hause ging und sich schlafen legte. Keiner von ihnen zeigt auch bei den Verhören besondere Angst. Alle sind frech und zeigen nicht die geringste Reue. Duca vermutet, daß ein Erwachsener den brutalen Mord geplant und die Schüler nur als Werkzeug benutzt hat. Aber wie soll er den großen Unbekannten enttarnen, aus den kleinen Monstern ist jedenfalls nichts rauszukriegen.

Der Autor, Georgio Scerbanenco, wurde 1911 in Kiew geboren, er starb 1969 in Mailand. Noch vor der Oktoberrevolution verließ er mit seiner Mutter Rußland und lebte seitdem in Italien. Nach zahlreichen Unterhaltungsromanen schrieb er in den 60er Jahren seine sozialkritischen Kriminalromane, die alle in Mailand spie len und ihm den Beinamen „italienischer Simenon“ einbrachten. (Serie Piper 5532)

Der amerikanische Autor Stephen Coonts ist da von einem ganz anderen Kaliber. Er flog zwischen 1971 und '73 unzählige Einsätze in Vietnam und Laos. Heute ist er Reserveoffizier der Naval Air Force und Schriftsteller. Daß er ein überzeugter Militarist und fanatischer Waffenliebhaber ist, beweist er mit dem Roman Die Stunde der Jäger. Star der Story, ist der US-Flugzeugträger United States. Der schwimmende Flugplatz macht gerade Urlaub in Italien. Den hat sich der Kahn redlich verdient, war er doch monatelang damit beschäftigt, vor arabischen Küsten als Bedrohung herumzudümpeln. Aber eine schlagkräftige Gruppe arabischer Terroristen (wer sonst) gönnt dem Kriegsschiff die Erholung nicht. Sie kommen an Bord, richten ein fürchterliches Massaker an, und nachdem sie noch schnell ein paar Atomsprengköpfe geklaut haben, fackeln sie den Kahn ab. Der Flugzeugträger schickt sein letztes Spielzeug hinterher und die Terroristen damit in die Hölle. Und was will uns der Autor damit sagen? Zünde niemals einen Flugzeugträger an, er könnte geladen sein! (Goldmann)

Karl Wegmann