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Die Mauer fällt

Unter die Bettdecke statt auf die Straße  ■ G A S T K O M M E N T A R

Am Checkpoint das Chaos mit Volksfestcharakter. Unter Applaus schieben sich Trabis und Taxen gen Westen, Spritztour in die eingemauerte Stadt Berlin. Eine Schulklasse darf die Deutschstunde live erleben. Lachende Radler, schwere Koffer schleppende Ehepaare. Im Gewühl schwenkt eine rote Fahne gen Osten: Willkommen, liebe Genossen, alias Brüder und Schwestern.

Zu Hause die Hektik der historischen Stunde. Jugendliche aus Ost-Berlin stehen vor der Tür, mußten nicht mal ihren Ausweis zeigen, sind einfach durch. Müssen bald zurück, kommen morgen wieder. Dann die nächsten. Zwischenrein schnell zur Grenze: „Nein, Ihr Transitverbot gilt noch.“ Wir also doch noch nicht. Hat die Zeitmaschine mir den Kopf vernebelt?

Anrufe aus aller Welt. In Kanada weinen sie, sehen soeben den nächtlichen Kudamm - ein Novembernachtstraum, durch den die Eingeschlossenen sich endlich freitanzen.

Die Mauer fällt. Was ist eine historische Stunde? Stammelnde Politiker, Verkehrschaos, Sondersitzung, Kundgebung?

Das Ausatmen macht Mühe. Vierzig Jahre lassen sich nicht mit einem Lachen abstreifen, Vergangenheit stülpt sich selbst auf die fulminanteste Wende. Wir haben gekämpft bis zur Lächerlichkeit, so hat mich denn die Wucht der Meldung unter die Bettdecke getrieben statt auf die nächtliche Straße. Was wird? Kauft Maxwell nun die Mauer auf? Keine Prognosen, alles ist möglich. Doch fürchte ich, die DDR könnte sich auflösen wie eine Brausetablette.

Meine Freunde im Wendland sehen ihr Zonenrandgebiet fallen, die wohl letzte Enklave der Linken. Wann durchschneidet die Autobahn Berlin-Bremen die Lüneburger Heide?

Wir sollten wenigstens Mecklenburg besetzen, bevor die Immobilienmakler sich über die Endmoränen hermachen.

Freya Klier

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