Jim Knopf und zu frühes Ende

■ „Jim Knopf“ bei Ernst-Waldau vor Fachpublikum: special effects O.K.

Das Publikum war absolut geschmackssicher. Als es im niederdeutschen Heimattheaterstil losging mit Frau Waas unterm possierlichem Dutt und mit ebenso possierlicher, dafür schlecht verständlicher Artikulation, hat das Publikum das nicht für einen Anfang gehalten und einfach weitergeschwatzt. Wenn man das Geheimnis der ungeklärten Herkunft des im Karton nach Lummerland geschickten Negerbabys Jim Knopf in einen betulichen Tantenplausch verpackt, dann ist das nämlich langweilig und ein dramaturgischer Mißgriff.

Als aber das erstemal zwischen zwei Bildern die Discokugel Bühne und Zuschauerraum in einen auf der Milchstraße kreiselnden geheimnisvollen Planeten verwandelte und allüberall taumelerregende Sternzüge gegeneinander tanzen ließ, da kam jauchzender Jubel und AH und OH auf und das immer wieder, wenn der Zauber einsetzte. Oder

auch wenn einer der zauberhaften Zwischenvorhänge uns meilentief unter die See versenkte, auf der sich die Lokomotive Emma ihren Weg zwischen China und dem Land, das nicht sein darf, bahnte oder wenn plötzlich eine riesige Flamme in echt hochschlägt, weil Lukas der Lokomotivführer und Jim Knopf Nepomuk, dem Halbdrachen den Vulkan, der nie ausgehen darf aber dennoch ausging, repariert haben: Jubel vom Fachpublikum.

Überhaupt war Nepomuk der Star der Pausenumfrage. „Weil er Jim und Lukas von seinem Vulkan Kohlen abgeben hat“, (Kerstin, 2. Klasse), „wegen der Flamme“, (Jens, 2. Klasse). Nur Clemens, 2. Klasse und aus Schwarmstedt, gefällt am besten: „Alles“.

Die Reste von kindertümelnder Volkstheatralik am Anfang und in den Sprechweisen der Darsteller gingen nur kurz auf den Keks, weil immerzu Schauplatzwechsel war und die Orte und wundersamen Kostüme mindestens ebenso

wichtig wie die Personen in ihnen. Weil Emma, die Lok, immer zur rechten Zeit Dampfwolken in die Diskussion mit König Alfons dem Viertel-vor-Zwölften warf, weil das Bühnenbild von Georg Suhr zauberhaft und die special effects gekonnt waren. Und daß auch eine zarte Moral von der Geschicht gen Ende mitgeteilt wird, läßt man sich dann auch gefallen: Als der Drache Frau Malzahn stirbt und als weiser Drache wiederauferstehen darf, weil Jim, Lukas und Emma ihn überwältigt haben, ohne ihn umzubringen, verrät er: „Niemand, der böse ist, ist dabei besonders glücklich.“ Wenn das stimmt, war das Publikum unböse.

Uta Stolle