: Standbild: Schimi nützte die Chance
■ Schulz & Schulz
(Schulz & Schulz, So., 10.12., 21.05 Uhr, ZDF) Hauend, stechend und schießend, so kennt und schätzt ihn sein Publikum: Götz George alias Schimanski, beim deutschen Krimi der Mann fürs Grobe. Wenn es im und am Tatort mal tätlich zugehen soll, ist er die adäquate Besetzung. Letzten Sonntag das 25. Mal. Der Mann hat seine Rolle gefunden, denkt man, und die Rolle ihren Mann. Die Kehrseite solcher Harmonie ist ihre Endgültigkeit: Wer einmal in Serie auf Verbrecherjagd gegangen ist, wird den Stallgeruch in aller Regel bis zur Rente nicht mehr los. Einmal Schimanski, immer Schimanski. Verständlich, daß George einem derartigen Schicksal zu entrinnen trachtet, zeigen will, daß er mehr kann als die permanente Neuauflage von Zwei Fäuste für das Ruhrgebiet. Die Gelegenheit hierzu bot sich ihm gleich zweifach in Schulz & Schulz, einer TV-Komödie über Deutsch-Deutsches und dessen Schwierigkeiten. Um es vorwegzunehmen: Er nutzte sie. Soll heißen, eine Doppelrolle, in der George zwischen den beiden Charakteren zu nuancieren und zu differenzieren weiß, ohne einen mit allzuviel Schauspielfirlefanz zu nerven. Keine Personality -Show. (Yeah, er war toll! d.S.)
Schulz und Schulz sind Zwillinge; der eine ist Werbetexter in Hamburg, der andere in Stralsund. Keiner weiß vom anderen, bis der West-Schulz im Aktuellen Sportstudio interviewt wird. Der Osten guckt mit, wie es kommen muß, Schulz in Stralsund auch. Wochen später dann, beim ersten gemeinsamen Schnaps seit 40 Jahren, entsteht sofort die zugehörige Idee: ein Rollentausch. Der Ost-Schulz reist, mit des Bruders Paß versehen, nach Hamburg, der West-Schulz testet unterdessen ein paar Tage Sozialismus. Natürlich bleiben in der Folge die Klischees nicht aus. Das Leben in der BRD ist Luxusfülle und Dekadenz pur, das in der DDR eine Mischung aus Mief und Stalinismus. Ebenso polarisierend spielt Götz George einmal den Prototyp des hanseatischen Karrieristen, alles ist flott, der Anzug, das Auto, die Freundin und die Sprüche, und dann als Gegenstück den netten, grundsoliden, einfach, aber geschmacklos ausstaffierten Kleinbürger aus dem Osten, der sich arrangiert hat mit Ehefrau, Sozialismus und den hohlen Parolen, die er produziert. Doch trotz aller Klischees, mit denen hier operiert wird, rutscht die Geschichte nie ab ins bloß Stereotype, immer gibt es auch den Blick für das Detail, für das Konkrete: Kapitalismus ist eben auch, wenn man morgens den Elektrowecker anbrüllen muß, damit der endlich Ruhe gibt. Um drei Ecken gedacht, bringt das die Sache auf den Punkt. Genauso, wie sich das ganze Dilemma des real-existierenden Sozialismus wiederfindet in den Schwierigkeiten, eine Bockwurst in der volkseigenen Kneipe zu bestellen.
Daß alles nun passe ist, die Deutschen sich zur Zeit ganz andere Fragen stellen, macht den Film nicht obsolet. Im Gegenteil: Geradezu prophetisch mutet an, daß die Autoren Martinek und Riedel vor zwei Jahren schon den Rücktritt Honeckers mit korrektem Termin ins Drehbuch schrieben. Die Kunst hat sie also doch, die seherische Fähigkeit.
Marcel Hartges
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen