piwik no script img

Einseitige Bekannte

■ Ortsbesichtigung: Das neue „Buten & Binnen“ - Studio und der neue Vorabend im Bremer TV

Wir kennen uns einseitig. „Sie kennen sich einseitig“, begrüßt uns der einseitig bekannte Fernsehdirektor Dr.Rüdiger Hoffmann. Und tatsächlich kennt uns wieder kein Schwein. Aber das macht nichts, wir fühlen uns hier ja fast wie zu Hause, das heißt: wie zu Hause vor'm Bildschirm. Wir sind aber vor O-Ort, am Originalort Fernsehen: Radio Bremen hat ein neues Studio gebaut, das uns fastfertig gezeigt werden möchte. Und da schauen wir doch gerne mal vorbei.

Die Atmosphäre ist noch etwas steif. Vielleicht liegt das daran, daß wir uns etwas fischig fühlen im frischen kühlen Türkis. Denn das neue Radio Bremen Studio erinnert ein wenig an Raumschiff Enterprise auf Aquariumsbasis. An hyperschnittigen Schaltstellen werden ab Januar Moderanauten die regionale Nachricht zu uns ins Wohnzimmer beamen, flankiert von zwei Türmen mit Bildschirmen und Rollschrank Struktur. Und warum auch nicht? Sollen Zeitgeist und Design vor dem Fernsehen haltmachen? Aber man soll doch nicht auf's Äußere kucken! Die inneren Werte entscheiden.

Rüdiger Hoffmann stützt sich beinah leichthin auf seinen Schirm. Chefredakteur Ulrich Kienzle probesitzt lässig -schnittig. Aus dem Off schlendert ein Grüpplein einseitiger Bekannter, Jörg Wontorra bezieht seinen Sportstisch, klackklackklack, die Fotografen fotografieren, bloß wir Schreiberlein sehen aus wie die 7b ohne Lehrer. Und lernen: das hier ist ein Studio mit integrierter Redaktion, daraus wird Radio Bremen sein Vorabendprogramm senden. Da werden Redakteure zu AnsagerInnen! Wirklich! Weil nämlich ab 1990 alles anders wird. Jens Meyer erläutert die Buten&Binnen -Philosophie: unberechenbar, bürgernah, geschlechtsumfassend, freiräumig, preisheimsig. Die Grafikerin findet wichtig, „daß man gerne ins Studio geht“. Gehen Männer nicht sowieso gerne ins Studio? Wo kann mann heute schließlich noch so nett unter sich sein? Wontorra findet seinen Stuhl noch zu hoch und arbeitet schon „hart an einer Frau“ für seine neue tägliche Sportsendung „Sport -Blitz“.

Schnitt. Wir sitzen um einen großen langen Tisch.Das Studio

lassen wir Studio sein und schauen auf die inneren Werte: Vom 2. Januar an wird die ARD „harmonisiert“, d.h., alle ARD -Anstalten strahlen in der Vorabendstrecke identische Serien aus. Radio Bremen muß mitstrahlen und schert aus mit Buten und Binnen, einem neuen täglichen Gewinnspiel (19.10) auf Kreuzworträtselbasis - moderiert von einer Dame „mit Sympathiewert“ - und einem täglichen Sport-Blitz (18.30). Der Stadtschnack (verantw. Karen Ulderup) wird mundtot gemacht; wieder eine Frau weniger mit eigenständiger Sendung. Einschaltquoten-technisch. Dafür geht der Sportblitz auf Männerfang? Nein, versi

chert Wontorra, es gäbe ja auch Frauensport. Ach, und dann gibt es noch die Novität „deutscher Musikladen“, wo in einem komischen Talk Carlo von Tiedemann, der Sympathieträger aus dem Paläozoikum, Mike Krügers aus der Reserve locken wird.

Ist eben alles eine Frage der nichtschlafenden Konkurrenz, der halbierten Werbeaufträge, der deshalb zu füllenden Löcher, der langläufigen Serie, der zugpferdigen Wontorras? Scherzhaft droht der Chefredakteur seinem Hoffnungsträger mit zu erreichenden 20%-Sehern. Hoffmanns Devise: „Mit Schmackes ran!“ Claudia Kohlhas

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen