: Deutsche Frage offen halten
■ Stationen des Versagens / Bemühungen der Wiedergutmachung
Albert Klepper, Cornelia Klepper, Peter Klepper
Die Alternative Liste ist bisher nicht in der Lage gewesen, auf die revolutionären Umwälzungsprozesse in der DDR angemessen und solidarisch zu reagieren. Stationen dieses Versagens waren unter anderem:
-die „Bleibt drüben!„-Haltung des Geschäftsführenden Ausschusses im August '89 gegenüber der Massenfluchtbewegung; (...)
-die Unfähigkeit, bisher eine größere Solidaritätsveranstaltung oder -demo mit der Demokratiebewegung der DDR auf die Beine zu stellen;
-als erste größere Aktion ausgerechnet mit der SEW am 9.12. eine gemeinsame Demonstration zu wählen, deren Zielsetzung („gegen die Wiedervereinigung der DDR im Rahmen einer Konföderation“) sich gegen eine starke Strömung innerhalb der Oppositionsbewegung der DDR richtet;
-der Versuch, eine Koalitionskrise wegen der angeblich unzulässigen „Einmischung in die inneren Angelegenheiten der DDR“ durch Walter Momper zu provozieren. (...)
Die Ursachen des Versagens der AL beziehen sich auf zwei Bereiche:
-die AL ist politisch blockiert durch die programmatische Orientierung auf den deutschlandpolitischen Status quo;
-die AL hat es zugelassen, daß zuviele Freunde der alten DDR zu viel Einfluß auf allen Ebenen der AL erhalten haben. (...)
Die AL strebt folgende Änderungen ihrer Politik an:
-sie erklärt sich uneingeschränkt solidarisch mit der gesamten Demokratiebewegung der DDR. Die AL verzichtet in Zukunft darauf, sich im Sinne einzelner Strömungen („gegen Wiedervereinigung“ zum Beispiel) selektiv einzumischen;
-sie verstärkt ihre Solidaritätsarbeit (Großveranstaltung, Erhöhung der materiellen Unterstützung und anderes);
-sie bemüht sich darum, ehemaligen DDR-Bürgern verstärkt die Mitarbeit innerhalb der AL zu ermöglichen;
-sie bereitet eine Programm-Revision zum Thema „Zweistaatlichkeit“ vor. Die Zweistaatlichkeit ist zwar Ausgangspunkt ihrer Deutschlandpolitik, aber nicht unbedingt auch Zielsetzung ihrer Politik;
-sie fördert die Zusammenarbeit der beiden Teile Berlins auf allen Gebieten und setzt sich deshalb unter anderem für Ost-West-Partnerschaften auf allen Ebenen, für Berlin (Ost und West) als KSZE-Stadt und Olympiastadt ein;
-sie unterstützt die zunehmende Zusammenarbeit beider deutschen Staaten in einer Vertragsgemeinschaft mit der Absicht, eine Konföderation beider Staaten noch in diesem Jahrhundert zu bilden.
Insgesamt strebt die AL an, wieder an ihr deutschlandpolitisches Selbstverständnis von 1978-84 anzuknüpfen, das durch die „Offenhaltung der deutschen Frage“ geprägt war. Auf dieser Grundlage ist eine kreativere und offensivere Reaktion auf die revolutionären Umwälzungsprozesse möglich; gleichzeitig wird durch eine solidarische Haltung eine erneute Bevormundung der DDR -Bevölkerung vermieden. Es muß eine freie Diskussion in Ost und West darüber möglich sein, ob die ökologischen, ökonomischen, sozialen und politischen Probleme in beiden deutschen Staaten tatsächlich im Zustand der Spaltung Deutschlands besser lösbar sind.
Die MVV sieht die Notwendigkeit sowohl einer programmatisch -inhaltlichen als auch der personellen Erneuerung der AL. Sie möchte deshalb all denen, die in den letzten Jahren ihre Aufgabe darin sahen, die SED-Politik zu schonen, zu entschuldigen oder zu verteidigen, Gelegenheit geben, ihre politische Vergangenheit - ohne Ämter! - zu bewältigen.
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