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Frauenprotest in Algier

■ Demonstrationen gegen islamischen Fundamentalismus und die Familiengesetzgebung / Zwei Konzerte der Sängerin Linda de Suza abgesagt

Algier (afp/taz) - Algeriens Unmündige werden aufmüpfig: Mehrere tausend Menschen, in der Mehrzahl Frauen, demonstrierten am Donnerstag im Zentrum Algiers vor dem Parlamentsgebäude gegen „Intoleranz in all ihren Formen“ und islamischen Fundamentalismus. Zu der zweiten Kundgebung dieser Art innerhalb eines Monats hatten die Sammlungsbewegung von KünstlerInnen, Intellektuellen und WissenschaftlerInnen (RAIS), Frauenverbände sowie mehrere Berufsorganisationen aufgerufen, darunter auch die Rechtsanwälte des Landes. Am 1. Dezember hatten sich erstmals die drei algerischen Frauenverbände getroffen und gemeinsame Aktionen gegen die Familiengesetzgebung beschlossen. Dem algerischen Recht zufolge ist die Frau ihr Leben lang einem männlichen Vormund unterworfen und in zahlreichen Fragen, namentlich der Scheidung, extrem benachteiligt.

Wie bereits mehrfach dieses Jahr protestierten die Algerierinnen gegen das Schweigen und die Duldung der öffentlichen Institutionen gegenüber wachsender Intoleranz, deren Opfer insbesondere die Frauen werden. Die DemonstrantInnen prangerten auch die islamischen Freitagspredigten an. In ihnen werde den Menschen eingehämmert, daß die Frauen Schuld an allem Übel seien, etwa am niedrigen Bildungsstand, am Verfall der Werte und an der Arbeitslosigkeit. Ein Mädchen wandte sich mit einem Pappschild an die Neanderthaler unter den Männer: „Ihr seid ausgestorben.“ Andere verlangten ein „Leben in Frieden“ für Frauen.

Wenige Tage zuvor hatte der Präsident der islamischen Heilsfront (FIS), Abassi Madni, erklärt, die Demonstrationen von Frauen bedeuteten „eine der größten Gefahren“, die das Schicksal Algeriens bedrohten. Die Frauen seien die Speerspitze des Neokolonialismus und die Avantgarde der kulturellen Aggression. Auf Druck der Fundamentalisten wurden auch zwei für Donnerstag und Freitag angekündigte Konzerte der portugiesischen Sängerin Linda de Suza in Algier abgesagt. Die Wochenzeitschrift 'Algerie Actualite‘ wertete die Absage der Konzerte als eine „dröhnende Ohrfeige“, die noch für viel Ärger sorgen werde. Das Blatt diagnostiziert einen „schleichenden Faschismus“ im Land, der entschieden frauenfeindlich sei. Die zweimonatlich erscheinende Zeitschrift der islamischen Heilsfront, 'El Mounqid‘ (Der Retter), schließlich nannte Linda de Suza eine „Zionistin auf der Erde Algeriens“.

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