Kleine Zukunft für den RGW

■ Auf dem Gipfeltreffen des Rates für Gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) in Sofia herrscht Einigkeit im Reformwillen, aber Zwietracht in Sachfragen / Ryschkow und Modrow: Umstellung des Handels auf Weltmarktpreise und Devisenbasis / Streit um Fünfjahresplan

Sofia/Berlin (ap/taz) - Die 650 Beschäftigten des RGW -Sekretariats in Moskau werden nicht arbeitslos, ebensowenig die derzeit 24 ständigen Kommissionen des Rates für Gegenseitige Wirtschaftshilfe. Gleich zu Beginn des zweitägigen östlichen Wirtschaftsgipfels, zu dem fast alle Regierungschefs der zehn Mitgliedsländer in die bulgarische Hauptstadt Sofia gereist sind, versicherte der sowjetische Ministerpräsident Nikolai Ryschkow, die Organisation werde nicht auseinanderfallen. Vorsichtige Zustimmung kam auch vom tschechoslowakischen Ministerpräsidenten Marian Calfa, der erneut dementierte, daß die CSSR den Rat verlassen wolle.

Einmütigkeit herrschte unter den mittel- und osteuropäischen Delegationen und der Abordnung aus der UdSSR darüber, daß die sozialistische Wirtschaftsgemeinschaft gründlich reformiert werden solle. „Ich hoffe, daß diese Sitzung den RGW zu einer effizienten Organisation machen wird“, sagte der neue bulgarische Ministerpräsident Georgi Atanassow. Mehrere Teilnehmer beklagten, daß der Handel im RGW im letzten Jahr stagniert habe, während er weltweit um acht Prozent stieg. Der RGW solle daher auch neue Formen der Zusammenarbeit mit der EG und anderen westlichen Industriestaaten suchen.

Streitpunkt ist nicht nur die Weigerung Kubas, den RGW, in dem das Prinzip der Einstimmigkeit gilt, überhaupt auf Reformkurs zu bringen - dieses Problem gilt mit der Zustimmung Havannas zur Einsetzung einer Reformkommission als einstweilen erledigt. Im Vergleich zur letzten Ratstagung im Juli 89 haben aber einige Mitglieder die sowjetischen Wünsche nach Veränderung schon so weit hinter sich gelassen, daß ihnen der Fünfjahresplan für den Zeitraum von 1991 bis 1996, den Ryschkow vorgelegt hat, inzwischen als zuwenig markt- und zu zentralwirtschaftlich gilt.

Auf der Tagesordnung soll außerdem ein gemeinsamer RGW-Markt diskutiert werden, der das bisherige System zweiseitiger Verträge ablösen könnte. Ryschkow und DDR-Ministerpräsident Hans Modrow schlugen vor, den Handel nicht mehr in „Transferrubeln“, sondern zu Weltmarktpreisen und in konvertierbarer Währung abzuwickeln. Ryschkow will damit 1991 beginnen, Modrow will das Verrechnungssystem schrittweise ändern.

Eine Abrechnung auf Dollarbasis hatte Ungarn schon in der letzten Woche für den Außenhandel mit der Sowjetunion vorgeschlagen. Vor allem in Ungarn, Polen und der CSSR gibt es Überlegungen zu einem kleinen Binnenmarkt. Die Regierungen in Prag und Warschau haben bereits angekündigt, ihre Währungen aneinander zu koppeln.

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