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Mit Axt und Kettensäge

■ Skulpturen und Zeichnungen des weißen Südafrikaners Michael Thomas

Eng ist es hier. Und voll. Voll mit hölzernen Gestalten. Überlebensgroßen verdrehten Gerippen aus malträtiertem Holz, mit Axt und Kettensäge aus großen, glänzenden Schrauben in ihrer abstrusen Anspannung gehalten.

Auf dem Boden wälzen sie sich, mal auf einem Polster aus gestauchtem Blech gehalten, mal mit Pech überzogen; und manche rekken den Kopf nach oben. Skulpturen, die nachts, wenn die Gaffer gegangen sind, heimlich miteinander ächzen und versuchen, mit ihren Gefährten in den anderen Räumen Signale auszutauschen. Nach dem langen Tag, den sie in den marternden Verrenkungen verbrachten, wollen sie sich endlich einmal recken und strecken und stoßen hinten und vorne auf Mauern. Eingesperrt.

Michael Thomas ist Weißer. Und Südafrikaner (1958 in Carl

tonville, Transvaal, geboren). Ein Kulturloser. Einer von diesen irischstämmigen Südafrikanern, deren Vorfahren als Minenarbeiter kamen und nie zur burischen Herrenschicht aufschließen konnten. Einer, der sucht. Nach der Energie, die entsteht, wenn man seiner selbst gewiß ist, und nach der Behinderung, die eine mörderisch repressive Gesellschaft ist.

In Südafrika war das leichter gewesen. Nachdem Thomas sein Kunststudium abgebrochen hatte, weil er „lieber in der Straße lernen“ wollte, hatte er mit der gemischten Künstlergruppe Skuzo (vier Schwarze aus Soweto, drei Weiße aus Johannesburg) Kunst-Events organisiert, die politisch gemeint waren und als Provokation durchaus noch funktionierten. Hatte in blitzschnellen gemeinsamen Aktionen Skulpturen

auf einer Kreuzung festgekettet oder die Portraits berühmter Gefangener auf hohen Stangen in der Straße befestigt. Hatte allerdings auch gespürt, daß ihm die einfachen, plakativen Symbole nichts mehr sagten: Seine Arbeiten wurden irrealer, verzerrter.

Hier in Europa lebt er seit zwei Jahren relativ isoliert. Er beschäftigt sich mit seiner künstlerischen Sprache, arbeitet an seinem Standpunkt. In der findigen St. Pauli -Galerie nullkommanix hat er neben seinen Holzkonstrukten schnelle Kreide-Skizzen aufgehängt, Menschen in Ruheposition, mit impulsiv gesetzter Farbe in Bewegung gebracht. Energie ist sein Thema, Energie, die sich aus der Erinnerung an den Apartheidsstaat speist. Und aus der Sehnsucht.

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Täglich, bis zum 26. Januar, nullkommanix + galerie, Paulinenstraße 14, Hamburg

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