Wahlrecht für Berliner unausweichlich

■ Der Senat ist zuversichtlich, daß die BerlinerInnen bei der nächsten Bundestagswahl mitwählen dürfen / Momper heute zu Staatsbesuchen nach London und Paris abgereist / Er will bei den Alliierten für das Wahlrecht werben / Vorstoß zur Direktwahl in der AL umstritten

Der Senat strebt weiterhin sowohl das direkte Wahlrecht der Berliner für den Bundestag als auch das volle Stimmrecht der dann gewählten Abgeordneten an. Das Übernahmeverfahren von Bundesgesetzen soll dagegen erhalten bleiben. Nach der Rechtsauffassung des Senats wird dadurch das alliierte Vorbehaltsrecht nicht berührt. Berlin soll in acht Wahlkreise aufgeteilt werden und mit 15 bis 16 Abgeordneten

-bisher waren es 22 - im Bundestag vertreten sein. Der Anspruch, daß die Abgeordneten wie bisher ganz Berlin vertreten, werde aufgegeben, sagte der Chef der Senatskanzlei, Schröder, gestern vor dem Bundestag in Bonn, da die Ostberliner künftig in einer demokratisch gewählten Volkskammer repräsentiert seien. Schon bei der Bundestagswahl im Dezember soll Berlin gleichberechtigt mitwählen dürfen.

In der sowjetischen Nachrichtenagentur Nowosti war am Montag eine Erklärung des Außenministeriums verbreitet worden, nach der ein direktes Wahlrecht für die Berliner einen eindeutigen Verstoß gegen das Viermächteabkommen darstelle. Wie Schröder gestern vor dem Bundestag bekräftigte, hätten allein die Westmächte über die Beteiligung der Berliner an Bundestagswahlen zu entscheiden. Die Sowjets hätten bereits 1979 den Ostberlinern das volle Wahlrecht für die DDR-Volkskammer zugestanden, so Schröder. Er rechne auch aus diesem Grund nicht mit einem starken Widerstand aus Moskau.

Bürgermeister Momper wird heute und morgen bei diplomatischen Gesprächen in Paris und London für das Wahlrecht der Berliner „werben“, wie es in einer offiziellen Erklärung des Senatspresseamtes hieß. In Paris wird sich Momper mit dem französischen Außenminister Dumas, mit dem Bürgermeister von Paris, Chirac, und dem Europadirektor des Außenministeriums treffen. Anschließend reist er nach London weiter, um dort mit dem britischen Außenminister Hurd sowie dessen Staatssekretären Waldegrave und Maude zu konferieren. Ende März steht ein weiterer Staatsbesuch in Washington auf dem Programm, bei dem es sicher auch um das Wahlrecht gehen wird.

In der AL ist der Vorstoß umstritten. Der Delegiertenrat der Partei hatte letzte Woche die Empfehlung an die Bundestagsfraktion der Grünen ausgesprochen, sich nicht an dem Allparteienantrag für die entsprechende Änderung des Wahlgesetzes zu beteiligen. Diese Empfehlung ging zurück auf die Warnungen des Geschäftsführenden Ausschusses, der befürchtet, die Direktwahl sei ein Schritt, Berlin zum elften Bundesland zu machen. In der Fraktion der AL wurde diesem Beschluß heftig widersprochen: Der Abgeordnete Köppl bezeichnete ihn als „Rückfall ins Sektierertum“. Der deutschlandpolitische Sprecher der AL, Statz, meinte, man müsse in jedem Falle für eine Stärkung der demokratischen Rechte eintreten.

Der CDU dagegen geht der Vorstoß nicht weit genug: Sie plädiert sowohl für eine Miteinbeziehung Berlins in die Verfassungsgerichtsbarkeit als auch für die Einführung der Wehrpflicht.

kd

(Siehe auch Interview auf S. 22)