: Rommel sieht „nationalen Notstand“
■ Der Deutsche Städtetag fordert von Bonn einschneidende Maßnahmen zur Zuzugsbegrenzung von Aus- und Übersiedlern / Wahlfreiheit des Aufenthaltsortes sollte eingeschränkt werden
Berlin/Speyer (dpa/taz) - Allein in diesem Jahr muß die Bundesrepublik mit 850.000 bis 1,5 Millionen Übersiedlern aus der DDR rechnen. Mit dieser Hochrechnung des Präsidenten des Deutschen Städtetages Manfred Rommel (CDU) stehe die Bundesrepublik vor dem „nationalen Notstand“. Nach einer Präsidiumssitzung des Städtetags im pfälzischen Speyer forderte der Stuttgarter Oberbürgermeister Rommel deshalb von der Bundesregierung eine Begrenzung des Zuzugs von Aus und Übersiedlern. Darüber hinaus sollte angesichts der für die Kommunen kaum noch zu bewältigenden Probleme überlegt werden, das im Grundgesetz verankerte Recht auf Freizügigkeit einzuschränken, um eine weitere Konzentration der Übersiedler auf die großen Städte und bereits jetzt überlasteten Bundesländer zu verhindern.
Nach Auskunft des Städtetagsprechers Müller gehört Nordrhein-Westfalen zu den am schlimmsten belasteten Ländern, und hier stehe wiederum das Ruhrgebiet an erster Stelle. In zahlreichen Städten gebe es auch bald keine Turnhallen mehr, die als Übergangsunterkünfte benutzt werden könnten.
Von der Bundesregierung erwartet Rommel außerdem, „die Subventionierung des Abwanderns und Zuwanderns“ einzustellen. Der Dortmunder Oberbürgermeister Samtlebe (SPD) schlug vor, in der DDR eine „Prämie fürs Dableiben“ anzubieten.
Gegen die akute Wohnungsnot in den Städten fordert der Städtetag bis zur Überwindung der Krise ein Programm für den sozialen Wohnungsbau, das mit jährlich zehn Milliarden Mark subventioniert werden müsse. Damit würden allerdings die für den sozialen Wohnungsbau in Bonn gerade erst beschlossenen acht Milliarden, die in den nächsten vier Jahren verbaut werden sollen, um ein Vielfaches überschritten.
Dazu wünscht sich Rommel Unterstützung bei den Bemühungen der Städte, im Rahmen der Rechtsordnung schnell und preiswert Bauland zu erschließen und in Eigentum der Kommunen zu überführen. Außerdem soll die Bundesvermögensverwaltung prüfen, wo bislang militärisch genutzte Gebäude vorübergehend zur Unterbringung der Übersiedler genutzt werden können.
Der nordrhein-westfälische Sozialminister Heinemann (SPD) hat seinen Vorstoß konkretisiert, alle nicht unbedingt erforderlichen Sonderleistungen für Aus- und Übersiedler zu streichen. Er schlug den Länderregierungen dazu eine Bundesratsinitiative vor, nachdem der Bund sich „einem gemeinsamen Handeln versagt“ habe, erklärte der Minister am Mittwoch in Düsseldorf. Heinemanns Vorschläge zielen vor allem auf den Wegfall von zinsgünstigen Einrichtungsdarlehen und auf Leistungen nach dem Heimkehrergesetz.
bg
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