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Nordlichter-SPD nicht auf Trab

Engholms Kabinett soll sich „Schwachstellenanalyse“ unterziehen und notfalls reformieren  ■  Aus Kiel Jürgen Oetting

In der schleswig-holsteinischen SPD wächst der Unmut über die Regierungspolitik des Engholm-Kabinetts. Der SPD -Landesvorsitzende Walter hat beim Regierungschef eine „Schwachstellenanalyse“ angemahnt. Alle Ressorts müßten einer kritischen Bilanz unterzogen werden, aus der noch vor den Kommunalwahlen am 25. März Konsequenzen zu ziehen seien. Im Mittelpunkt der öffentlichen und innerparteilichen Kritik stehen drei MinisterInnen: Kultusministerin Eva Rühmkorf, Wirtschaftsminister Franz Froschmeier und der parteilose Umweltminister Berndt Heydemann.

Der frühere Brüsseler EG-Spitzenbeamte Froschmeier scheint sein Ministerium lediglich still zu verwalten und kann für seine Amtszeit keine nennenswerten innovativen Vorhaben nachweisen. Doch an Froschmeiers politischer Profilschwäche dürfte Ministerpräsident Engholm nicht ganz unschuldig sein. Die visionären ökonomischen Entwürfe - Stichwort „Neue Hanse“ - behält der PR-freudige Chef sich selbst vor.

Die frühere Hamburger Frauen-Gleichstellungsbeauftragte Eva Rühmkorf zerreibt sich als Kieler Kultusministerin zwischen den hohen Erwartungen an eine „neue“ Bildungs- und Kulturpolitik und den Blockaden der landesweit in langen CDU -Jahren gewachsenen konservativen Kultusbürokratie. Sie saß von Beginn an auf dem Spitzen-Schleudersitz im Kabinett. Symptomatisch für ihre Situation ist die Gesamtschuldebatte im Land. Weil Engholm vorsichtiges Vorgehen verordnet hat, wird der Ministerin von linken KritikerInnen halbherziges Umsetzen sozialdemokratischer Versprechungen vorgeworfen. Ihre KritikerInnen von rechts wittern in jeder Anordnung aus dem Hause Rühmkorf einen Verrat an den Tugenden der abendländischen Bildungsstrukturen.

Als größte Enttäuschung unter Engholms MinisterInnen gilt der für das Umweltressort zuständige Berndt Heydemann. Das einstige Glanzstück der Wahlkampfmannschaft - mit dem sich trefflich grüne Stimmen fangen ließen - ist längst in den ökonomischen Sachzwängen der Landespolitik versunken. So hat er jüngst die Verklappung von 400.000 Kubikmetern schwermetallhaltigen Baggerschlamms in die Lübecker Bucht aus wirtschaftlichen Gründen erlaubt - „unter Betonung meiner großen ökologischen Bedenken für die Folge der zusätzlichen Ostseebelastung“, wie es im Genehmigungsschreiben heißt. Auch Heydemanns Lob der Sondermülldeponie Schönberg (DDR) vom vergangenen Jahr klingt Schleswig-Holsteins UmweltschützerInnen noch in den Ohren.

Heydemann ist längst zum Lieblingsobjekt des journalistischen Spotts im Norden geworden. Denn obwohl die Kritik an seiner Politik ständig wächst, versäumt er keine Gelegenheit, um mitzuteilen, er sei ein ganz grandioser Umweltminister.

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