: „Da ist er kräftig abgeblitzt“
■ Warum der Bremer Zeitungsverleger Ordemann eine freie Rostocker Zeitung druckt
Bremens Verleger Herbert C. Ordemann wird groß herauskommen: In seinem Druckhaus sollen die ersten hunderttausende der ersten freien Rostocker Tageszeitung gedruckt werden. Die SPD-Leute, die die Lizenz beantragt haben, haben den Namen der „Mecklenburgischen Volkszeitung“ gewählt, die es vor der Nazizeit gab. Ordemann wird sich den Druck in West-Devise bezahlen lassen, aber immerhin.
Die Daimler und BMW's stehen in diesen Wochen vor den Werkstoren der DDR-Firmen. Jede will ihr „Joint Venture“, denn ohne gibt es kein ökonomisches Überleben gegen die West -Konkurrenz. Auch die Bremer Firmen versprechen sich Schnäppchen, nächste Woche fahren 170 Unternehmer mit der Handelskammer nach Rostock. Letztlich war eine Delegation mit dem Bürgermeister in Bremens Partnerstadt. Mit dabei war der Verleger der führenden Zeitung in Bremen. Sein Weg führte in die Chefetage der führenden Zeitung in Rostock, der Ostsee-Zeitung. Auflage: 300.000. Die anderen Blätter Rostocks sind weniger verlockend. Der „Demokrat“, das CDU -Blatt, hat eine schwindsüchtige 28.000-Auflage, eine kritische Redaktion und immer mehr konservative Partei -Abonnenten, subventioniert aus Gewinnen eines schwunghaften Antiquitätenhandels. Noch. Keinen Pfifferling wert also.
Mit den „Norddeutschen Neuesten Nachrichten“ (NNN) hatte der Weser-Kurier-Verleger auch Kontakte geknüpft. Aber die Auflage ist mit 40.000 wenig verlockend, das Image ruiniert wie bei den SED-Blättern. Und die Liberalen in der DDR waren nicht so liberal, die Pressefreiheit zu gewähren und die nach alter SED-Manier von den Parteien gehaltenen Zeitungen freizugeben.
Also die Ostsee-Zeitung. Daß es sich dabei um das seit Jahren in Verruf geratene SED-Zentralorgan handelte, störte den Verleger angesichts der verlockenden 300.000-Auflage weniger. Zur Ostsee-Zeitung gehört zudem das Rostocker Druckhaus, da steht eine moderne Druckmaschine, auf der Pornos für Holland und das Neue Deutschland gedruckt werden. Also Werte. „Da ist er kräftig abgeblitzt“, freuen sich Rostocker Presse-Insider schadenfroh. Und so kommt Ordemann dazu, den Aufbau einer richtig freien Zeitung in der DDR zu unterstützen.
Rosi Roland
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