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In harten F Frauenhänden

■ Maurer mauern. Vor allem gegen den Einbruch von Frauen in ihre Männerdomäne. Denn noch immer gibt es reichlich Vorurteile Frauen in sogenannten Männerberufen - nicht nur von Kollegen.

Von

EVA SCHWEITZER

ls ich in den Westen gekommen bin, habe ich erst mal erfahren, daß Frauen hier Berufsverbot haben“, sagt die gestandene Maurerin aus Ost-Berlin fassungslos. Frauen in Männerberufen sind in der Bundesrepublik noch lange nicht selbstverständlich. In einigen Berufen dürfen sie nicht arbeiten, in anderen scheitert es an angeblich fehlenden Toiletten und unkooperativen Kollegen. Vorwärts geht es nur in Millimetern.

Nicht nur Maurerin, auch Dachdekkerin, Gleisbauerin, Brunnen- und Kanalbauerin, Gießereimechanikerin und etwa fünfzehn andere Berufe dürfen Frauen hier zwar lernen, den Beruf aber später nicht ausüben. Einige andere wurden inzwischen zugelassen, zum Beispiel der der Stukkateurin oder der Trockenbaumonteurin - dies jedoch nur im Bundesgebiet, nicht in Berlin. „Diese Gesetze sind ein Relikt aus der Nazizeit“, erklärt Jutta Kämper vom Verein Baufachfrauen in Berlin. 1938 habe die NS-Regierung Frauen aus Handwerksberufen verbannt, das habe in der BRD Nachwirkungen bis heute. So seien nur sechs Prozent der selbständigen ArchitektInnen Frauen. Bei den TischlerInnen, der Bauberuf, bei dem Frauen am stärksten vertreten sind, liege der Anteil bei 18 Prozent.

„Frauen können nicht auf Baustellen arbeiten“, erläutert ein Maurer. „Als ich angefangen habe zu arbeiten, mußte ich als erstes vor den Augen der Kollegen einen Vierzig-Kilo -Zementsack in den vierten Stock tragen. Ich wäre fast zusammengebrochen; sowas schafft eine Frau gar nicht.“ Und wie oft hat er danach, bei der regulären Arbeit, vierzig Kilo tragen müssen? „Nie mehr, natürlich“, sagt er entrüstet. Das sei mehr so eine Art Belastungsprobe gewesen.

„Männer wollen Frauen auf dem Bau einfach nicht haben, das entwertet ihre Arbeit, wenn sie das Gefühl haben: Das kann doch praktisch jeder, sogar eine Frau“, meint die Architektin Jutta Kämper. „Die üblichen Argumente sind: Frauen können nicht so schwer tragen, das schlechte Wetter auf Baustellen ist ihnen nicht zuzumuten, und der Umgangston dort ist zu rauh.“ Alles Gründe, die nicht zählen, wenn Frauen in der Landwirtschaft, in Großküchen oder in Krankenhäusern arbeiten. Und auch der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes scheint nicht an die Mär von der überschweren Arbeit zu glauben: „Maschinen und Hebewerkzeuge nehmen dem Beton- und Stahlbauer jegliche schwere körperliche Arbeit ab“, warb der Verband letztes Jahr in einem Faltblatt.

rotzdem sind die Frauen in vielen Berufen bei weitem unterrepräsentiert, wie ein Blick in die Lehrlingsstatistik des Landesarbeitsamtes bestätigt. So gab es 1988 in metallbearbeitenden Berufen 432 männliche Lehrlinge, aber nur 19 weibliche, genausowenig wie1985. Von den Installateurslehrlingen waren im vorletzten Jahr 1.684 Jungen und 15 Mädchen, bei den Schlosserlehrlingen gab es 2.151 männliche und 46 weibliche. Auch Mechaniker zu lernen, blieb bisher eine nicht gestürmte männliche Bastion: 2.261 Jungen, aber nur 187 Mädchen zählte man 1988. Und unter 564 Maurerlehrlingen findet man - erwartungsgemäß - eine einzige Frau. Nur die TischlerInnen-Azubis erleben mit 179 Frauen zu 728 Männern eine bescheidene Blüte.

Daß Mädchen in bestimmten Berufen unterrepräsentiert sind, fiel schon vor Jahren dem Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung auf. Es rief einen Modellversuch ins Leben, in dessen Rahmen tausend Frauen in Männerberufen ausgebildet wurden. Dabei sollte es freilich nicht bleiben. An der Technischen Universität in Berlin ging 1989 ein dreijähriges Projekt zu Ende. Dort wurde erforscht, wie die Erfahrungen aus dem Modellversuch dahingehend zu nutzen seien, Frauen generell den Einbruch in Männerberufe zu ermöglichen.

„Wir haben uns auf metallverarbeitende Betriebe und auf die Elektroindustrie konzentriert, also auf große Firmen wie Siemens, SEL, Mercedes oder AEG“, sagt Sabine Hübner, die zusammen mit drei anderen Frauen das Projekt organisierte. Bei denen sei die Ausbildung routinierter als in kleinen Handwerksbetrieben, man erwarte weniger Probleme für Mädchen. „Kleine Betriebe verweisen auch gerne auf die fehlenden sanitären Einrichtungen für Frauen“, sagt Sabine Hübner. Die Landesarbeitsstättenverordnung wurde in dieser Beziehung zwar geändert, aber das Landesamt für Arbeitsschutz legt in Berlin trotzdem Wert auf getrennte Toiletten.

„Wir haben zunächst alle Betriebe angeschrieben, die in unserem Bereich Lehrlinge ausbilden und gefragt, ob sie Interesse hätten, Mädchen auszubilden“, berichtet Frau Hübner weiter. 80 Prozent von denen hätten reagiert, deren Adressen habe man per Broschüre an Berliner Schulen weitergegeben. Anschließend habe man gezielt Lehrerinnen angesprochen, damit die ihre Schülerinnen für diese Berufe interessierten und Kurzpraktika im Betrieb organisiert. „Wieweit sich die Firmen tatsächlich um die Mädchen kümmern, hängt viel von der Personalvertretung ab“, sagt Frau Hübner.

So gebe es bei Mercedes in Berlin-Marienfelde einen rührigen Betriebsrat. Der habe schon mal dafür gesorgt, daß eine Anzeige, in der ausschließlich männliche Lehrlinge gesucht worden waren, noch einmal mit dem Zusatz erschien, man wolle ausdrücklich Mädchen ansprechen. Eine Quotierung für Mädchen bei der Ausbildung gebe es bei Mercedes freilich nicht, das gehe der Firma zu weit.

icht alle Mädchen, die einen Ausbildungsplatz in einem Männerberuf bekommen, halten auch durch. „Eine Schülerin berichtete neulich in der Beratung, von ihrer Berufsschulklasse seien nur drei Frauen von elf übrig geblieben“, sagt Frau Hübner. Diejenigen, die aufgeben, beklagen sich häufig über „rauhes Klima“ an der Berufsschule oder im Betrieb, das bis zu sexuellen Belästigungen und täglicher Anmache gehe. Aber meist seien „freundlichere“ Formen von Diskriminierung üblich, etwa sachliche Vorschläge scherzhaft zu übergehen, wenn sie von Frauen kommen. Von subtiler Diskriminierung von Mädchen, die etwa Automechanikerin oder Fliesenlegerin lernen, berichtet auch Jutta Kämper. „Es kommt vor, daß die Mädchen in der Werkstatt sitzen müssen, während die Jungs draußen auf Montage gehen; daß sie zum Kuchenholen und Kaffeekochen geschickt werden, oder aber es droht bei nichtigen Anlässen die Kündigung.“

„Und viele Probleme fangen erst nach der Ausbildung an“, meint Dorothea Schemme, Tischlerin und ebenfalls im Verein der Baufachfrauen. Nämlich wenn die Tischlerinnen und Fliesenlegerinnen in Betrieben unterkommen müssen. Denn weder in der Industrie noch im Handwerksbereich werden alle Mädchen übernommen. Zwar gibt es in Berlin staatlich finanzierte Weiterbildungsmaßnahmen, doch diese sind eher ein Tropfen auf dem heißen Stein.

So betreut der Verein zwei ABM-Projekte, bei denen je 15 Frauen - Planerinnen und Handwerkerinnen - ein Haus nach ökologischen Kriterien ausbauen. Um sich als Meisterin qualifizieren zu können, reicht so ein zweijähriges ABM -Projekt allerdings nicht aus. Dazu gehören mehrere Jahre Berufserfahrung in einem „richtigen“ Betrieb. Erst dann dürfen sie zur Meisterprüfung antreten. „Und den Meistertitel braucht man, um sich selbständig zu machen“, sagt Dorothea Schemme. Da stehe Deutschland übrigens innerhalb der Europäischen Gemeinschaft ziemlich einmalig da: „In anderen Ländern reicht die Gesellenprüfung, in den USA braucht man gar keinen Abschluß, um als selbständige Handwerkerin arbeiten zu dürfen.“

Die Berliner Baufachfrauen vermissen die ausreichende Unterstützung des Senats. der Bausenator gewährte ihnen nach langen Verhandlungen einmalig 100.000 Mark für ein Jahr Büro - und Personalmittel - allein die Nachfolgegesellschaft der Internationalen Bauausstellung, S.T.E.R.N., erhält im Jahr sieben Millionen für Planungskosten. Dabei wollen die Frauen viel mehr. „Man müßte vor allem durchsetzen, daß bei Berliner Bauprojekten nur dann öffentliche Gelder vergeben werden, wenn die Bauherren in ausreichender Anzahl Frauen beschäftigen“, meint Jutta Kämper. „Denn wir Baufrauen müssen jetzt einen Fuß in die Tür bekommen - gerade in diesen Jahren wird ein milliardenschweres Neubauprogramm aufgelegt, nicht zuletzt als Beschäftigungsmaßnahme. das darf nicht alles an den Frauen vorbeigehen.“

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