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Nachhilfe für Metall-Gewerkschafter

Treffen in Ost-Berlin / Partnerschaften mit West-KollegInnen nehmen Gestalt an  ■  Aus Ost-Berlin Gabriele Sterkel

„Wie ernst habt ihr das mit dem Streikrecht denn gemeint?“ fragte Hartwig Bugiel, der Vorsitzende der IG Metall-Ost auf einem Treffen, das Gewerkschaftsvertreter aus 30 ausgewählten Metallbetrieben in der DDR am Freitag in Ost -Berlin auf die geplanten „Betriebspartnerschaften“ mit den West-KollegInnen vorbereiten sollte. Er lieferte vorsichtshalber auch gleich die richtige Antwort: „Ich habe auf dem FDGB-Kongreß zwar auch die Hand gehoben“ - nämlich für einen Generalstreik, falls das geforderte Gewerkschaftsgesetz nicht noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet wird. Dieser Akt sei eher jedoch als moralische Unterstützung der Forderung zu werten. „Wir wären doch gar nicht in der Lage, einen Streik durchzuführen“, so Bugiel, den Ost-Gewerkschaftern fehle es nicht nur an Erfahrung, sondern auch an Geld.

Hartwig Bugiel nutzte die Veranstaltung, um seinem Auditorium mal gründlich die Leviten zu lesen und politischen Nachhilfeunterricht zu erteilen. Bugiel weiß wovon er spricht, denn er kommt gerade von Beratungen mit Metall-Gewerkschaftern im Westen zurück. „Wenn die sehen, wie wir bei uns Basisdemokratie machen - naja!“. Als Beispiel zitiert er die später zurückgenommene Abstimmung auf dem FDGB-Kongreß Anfang Februar, die nur den von der Basis gewählten Delegierten ein Stimmrecht zugestand. Bugiel gibt seinen betrieblichen Interessenvertretern für die neugebackenen Partnerschaften den eindringlichen Rat mit auf den Weg: „Bereitet euch gut vor auf die Frage nach eurem Demokratieverständnis“, da hätten die KollegInnen drüben nämlich ein vitales Interesse daran. Manche hätten Angst, daß der „Bazillus“ der Basisdemokratie zu ihnen überschwappt.

Die West-Metaller haben ein vitales Interesse daran, daß diese Betriebspartnerschaften nun endlich zustande kommen. Damit wollen sie ihre KollegInnen drüben auf die Anforderungen vorbereiten, die an gewerkschaftliche Betriebspolitik unter kapitalistischen Bedingungen gestellt werden. „Wir müssen aufpassen, daß wir nicht gegeneinander ausgespielt werden“, bringt es der Vertreter des IG-Metall -Vorstandes (West) auf den Punkt.

Die Metaller sind zwar im Vergleich zu den anderen Gewerkschaften mit ihren deutsch-deutschen Kontakten schon am weitesten vorangekommen, aber das gemeinsame Sofortprogramm, mit dem die Betriebspartnerschaften beschlossen worden waren, liegt nun immerhin schon zwei Monate zurück. In der Zwischenzeit wurden die jeweils dreißig Partnerbetriebe, die eine Art Pilotfunktion haben sollen, auf beiden Seiten der Grenze sorgfältig ausgewählt. Neben Kriterien wie gewerkschaftlichem Organisationsgrad müssen auch Betriebe berücksichtigt werden, mit denen das Kapital schon Verbindungen geknüpft hat. Letzte Woche fielen in Ost und West die Startschüsse. Dem Treffen der Ost -Metaller ging am Dienstag das westliche Pendant in Frankfurt voraus. Laut Programm ist es nun an den DDR -Gewerkschaftern, ihre westlichen Partner-KollegInnen einzuladen.

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