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Daimler-Benz zieht's zum Kubat-Dreieck

■ Einst Brachland, „Todesstreifen“ und freie Republik - bald schon Land der Glas- und Konsumpaläste: Daimler Benz, Hertie und weitere West-Konzerne wollen am Potsdamer Platz und Lenne-Dreieck bauen / Senat wird von bauwütigen Investoren regelrecht „belagert“

Wo vor anderthalb Jahren noch das Hüttendorf der Kubat -BesetzerInnen stand, werden sich bald die Spiegelglasfassaden in den Himmel recken. Als erster Investor hat Daimler-Benz Bauabsichten am Potsdamer Platz verkündet. Gestern beschloß der Vorstand des Rüstungs- und Autokonzerns, den juristischen Sitz seiner Dienstleistungssparte nach Berlin zu verlegen und diesen neugegründeten vierten Unternehmensbereich in den nächsten Jahren „schrittweise zusammen mit anderen wichtigen Konzernleitungsfunktionen“ in Berlin aufzubauen. Das Stuttgarter Unternehmen will deshalb, wie es gestern erklärte, ein „repräsentatives Grundstück am Standort Potsdamer Straße - Potsdamer Platz“ kaufen.

Wirtschaftssenator Mitzscherling (SPD), der diesen Schritt gestern begrüßte, erwartet nun, daß sich auch andere Unternehmen „von weltweiter Bedeutung“ stärker in Berlin „etablieren“. Glaubt man im Senat umlaufenden Gerüchten, dann werden Mitzscherling und Bausenator Nagel zur Zeit von Investoren regelrecht „belagert“. Damit wächst auch der Druck auf AL-Umweltsenatorin Schreyer, Rahmenplanungen für die besonders begehrten Flächen am Potsdamer Platz und auf dem Lenne-Dreieck vorzulegen. „Spätestens im März“ wollen Schreyers Stadtplaner die Pläne vorstellen. „Wir drängeln die Kollegin wie wild“, bestätigte Nagels persönlicher Referent Matthias Zipser auf taz-Anfrage.

Bauabsichten, speziell für das Lenne-Dreieck und den Potsdamer Platz, hat auch der Hertie-Konzern, dessen Tochter Wertheim aus der Zeit vor der Teilung Berlins noch zwölf von 30 Grundstücken auf dem drei Hektar großen Gelände gehören. Weil das Lenne-Dreieck bis zu einem Gebietsaustausch im Sommer 1988 zu Ost-Berlin gehörte, müssen dem Kaufhaus -Konzern die von der DDR seinerzeit enteigneten Flächen vom Senat jetzt wieder zurückerstattet werden.

Glaubt man Wertheim-Geschäftsführer Joachim Lindgens, dann wird am Potsdamer Platz „kein Kaufhaus“ entstehen; das gelte auch für das Grundstück am Leipziger Platz auf der anderen Seite der Mauer, auf dem früher ein großes Wertheim-Haus stand und auf das Hertie laut Senatsgerücht „reflektiert“. Lindgens läßt durchblicken, daß es ihm eher um ein Bürogebäude geht: Hoffnungsvoll verweist er auf Äußerungen von Bausenator Nagel, der sich am Lenne-Dreieck mittlerweile eine „massive Hochhausbebauung“ wünsche.

Nagels persönlicher Referent Zipser dementiert zwar solche Pläne - „Wir wollen keine Skyline am Potsdamer Platz“ - kann sich aber „punktuell, ganz vorsichtig und behutsam“ den Bau einzelner Hochhäuser durchaus „vorstellen“. Bauabsichten für das Gelände unterstützt die Baubehörde heftig.

Über ein Hochhausprojekt, über das nach Meinung von Schreyer „relativ schnell“ entschieden werden könnte, gibt es allerdings noch Streit zwischen ihr und Nagel: ein zwölf bis 14stöckiges Gebäude, das die Firma Held&Francke unter dem Titel „World Trade Center“ auf dem Klingelhöfer-Dreieck am Lützowplatz bauen möchte. Während Schreyers Stadtplaner Wuthe „nicht ausschließen“ möchte, daß Held&Francke hier eine Baugenehmigung bekommen, schießt Nagel immer noch quer. Er hatte vorgeschlagen, den Busbahnhof am Messedamm mit dem Hochhaus zu überbauen. Held&Francke-Niederlassungsleiter Peter Kern rechnet mit einer mehrjährigen Verzögerung des Baubeginns, wenn sich Nagel durchsetzt. Am Lützowplatz könnte es dagegen schon 1991 den ersten Spatenstich geben.

Angesichts der „furchtbar schwierigen“ Entscheidungswege in West-Berlin wartet Kern nun auf die Wahlen in der DDR. Dann will er sich „in ganz Berlin“ engagieren. Mit diesen Plänen ist er nicht allein. Der Magistrat werde, so heißt es in der Ostberliner Bezirksplankommission, „tagtäglich bestürmt“. Pro Tag meldeten sich im Schnitt drei Interessenten für Bau und Industriegrundstücke: „Viele Firmen fahren hier schon mit der Videokamera rum und zeigen uns dann, wo Baulücken sind.“

Hans-Martin Tillack

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