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Vorketzin beinahe evakuiert

■ Ketziner Bürgerinitiative warnt vor Genuß von Leitungswasser / Bis in 80 Meter Tiefe „extremer Salzgeschmack“ / Schreyer will DDR regreßpflichtig machen

Erleichterung in Ketzin: Die DDR-Ortschaft, zehn Kilometer westlich von Berlin, ist nur knapp um die Evakuierung von 15 Wohnhäusern herumgekommen.

Die Vorsitzende der Ketziner Bürgerinitiative, Marlies Oettel, sagte gestern, die Evakuierung der insgesamt 25 Bewohner sei nur durch den von der DDR-Regierung angeordneten sofortigen Stopp der Mülltransporte aus West -Berlin zur Deponie Vorketzin verhindert worden. Die Lastwagen der Westberliner Stadtreinigungs-Betriebe (BSR) fuhren gestern das letzte Mal.

Wegen extremer Belastung des Grundwassers mußten nach Angaben von der BI-Vorsitzenden Oettel im Dezember vergangenen Jahres acht von 50 Trinkwasserbrunnen des Ortes geschlossen werden. In der Zwischenzeit bereitet West-Berlin Zwischenlager für Sondermüll im Stadtgebiet vor.

Frau Oettel, die inzwischen Mitglied des Ketziner Stadtrats ist, warnte die 5.000 Einwohner des Ortes, überhaupt noch Leitungswasser zu trinken. Bereits im Dezember hätten die verseuchten acht Brunnen eine Belastung aufgewiesen, die bis zum Zehnfachen über dem Normwert liege.

Die jüngsten Bohrungen zur Analyse im Ketziner Hauptbrunnen, die bis in 80 Meter Tiefe gingen, hätten einen „extremen Salzgeschmack“ des Wassers ergeben. Die exakten Analysewerte lägen aber bis heute noch nicht vor.

Als vorläufige Zwischenlösung für den Westberliner Sondermüll wird der private Müllentsorger Alba nach eigenen Angaben von kommender Woche an eine entsprechend gesicherte Halle im Norden der Stadt zur Verfügung stellen. Die Halle mit 1.500 Quadratmetern könne allerdings nur rund 1.000 Tonnen Müll aufnehmen. Das entspreche einer Zwischenlagerungszeit von zwei bis drei Wochen. Über weitere Lagerflächen werde mit den Behörden noch verhandelt.

Umweltsenatorin Michaele Schreyer kündigte unterdessen an, sie werde die DDR-Regierung wegen der vorzeitigen Schließung der Deponie Ketzin regreßpflichtig machen. Demgegenüber erklärte Frau Oettel, der zwischen DDR und Senat 1974 auf 20 Jahre geschlossene Vertrag habe sich ausschließlich auf die Lagerung von Haushaltsmüll beschränkt. Seit 1977 hinzugekommene Protokolle über die Lieferung zusätzlicher Müllarten seien einseitig und von der DDR nicht abgesegnet worden.

Zu den großen Produzenten von Sonderabfällen in der Stadt gehört unter anderem der Pharmakonzern Schering AG. Schering -Sprecher Gert Wlasich erklärte auf Anfrage, die Firma habe Vorketzin jährlich mit 300 Tonnen Klärschlamm beliefert. Der Konzern verhandele schon seit Monaten mit bundesdeutschen Firmen über eine Entsorgung des Chemie-Mülls.

Die Berliner Stadtreinigung kündigte inzwischen an, sie wolle für die drei Orte Schöneiche, Kalinchen und Gallun im Süden Berlins in „unbürokratischer Amtshilfe“ die Müllabfuhr für rund 500 Haushalte übernehmen. Sie werde in den Ortschaften, in denen eine regelmäßige Müllabfuhr bisher nicht gewährleistet war, Container aufstellen.

ap

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