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„Eine Anleitung, Ausländer fernzuhalten“

Vor dem Innenausschuß des Bundestages übten die meisten der geladenen Experten heftige Kritik am Ausländergesetzentwurf der Bundesregierung / Moniert wurde, daß die meisten der eingeräumten Rechte durch zahlreiche Einschränkungen wieder entwertet würden  ■  Aus Bonn Ferdos Forudastan

„Wie man aus Inländern Ausländer macht“ - so betitelte Barbara John, Berliner Ausländerbeauftragte und CDU -Mitglied, ihre Stellungnahme zum Ausländergesetzentwurf der Bundesregierung. In der großen Anhörung vor dem Innenausschuß des Bundestages am Mittwoch in Bonn zeichnete sie am fiktiven Beispiel eines hierzulande geborenen jungen Türken sehr plastisch jene gravierenden Schwächen des umstrittenen Paragraphenwerkes aus dem Hause Schäuble nach, die auch von den meisten anderen der geladenen Sachverständigen heftig kritisiert wurden. Entschließe sich der junge Mann etwa, Polizist zu werden, so müßte man ihm diesen Wunsch versagen: Beamtet werden können nur Deutsche. Die doppelte Staatsbürgerschaft sieht der Gesetzentwurf praktisch nicht vor. Aus seiner eigenen Staatsangehörigkeit würde er aber - selbst wenn er dies wollte - nicht entlassen, weil er dafür nach den Gesetzen seines Heimatlandes dort hätte Wehrdienst leisten müssen. Überdies wäre eine Einbürgerung kompliziert und sehr teuer. Der junge Türke läßt sich nun statt zum Polizisten zum Facharbeiter ausbilden. Anschließend heiratet er während eines Urlaubes in seinem Heimatland eine Türkin. Nach dem geplanten Gesetz dürfte er sie jedoch nicht mit hierhernehmen: Der erstmals verankerte Rechtsanspruch auf Ehegattennachzug soll an die Bedingung geknüpft werden, daß „ausreichender Wohnraum“ nachgewiesen werden kann. Auch ein großer Raum ihrer Dreieinhalbzimmerwohnung, den die Eltern des Türken dem jungen Ehepaar gerne überlassen wollten, würde diesem Kriterium nicht genügen.

Das „Wohnraumerfordernis“ ist wohl eines der griffigsten Beispiele für den abwehrenden Charakter des geplanten Gesetzes. Und so entzündeten sich während der Bonner Anhörung daran auch die heftigsten Diskussionen. Einen Verstoß gegen den Schutz der Ehe und ein Hindernis für die Einheit der Familie nannte etwa ein Prälat vom Kommissariat der deutschen Bischöfe die „nicht hinnehmbare Klausel“. Und in den Abtreibungsparagraphen 218 eine „aufenthaltsrechtliche Indikation“ einzuführen, so spitzte der Vertreter der Arbeiterwohlfahrt seine Kritik zu. Laut Gesetzentwurf muß „ausreichender Wohnraum“ nämlich auch nachgewiesen werden, wenn eine ausländische Familie ihren Aufenthaltsstatus rechtlich verfestigen möchte. Bekommt sie in dieser Zeit Nachwuchs und gilt damit die Wohnung nach dem neuem Ausländergesetz als zu klein, müssen die Behörden ihr dies verweigern. Für die Wohnraumklausel plädierten bei der Anhörung jene, die mit der Ausländerpolitik nur mittelbar in Berührung kommen: zwei Rechtsprofessoren etwa, der Regierungsvizepräsident von Stuttgart, Vertreter des deutschen Städtetages. Letztere malten düstere Bilder von überfüllten Notunterkünften.

Im Beispiel der Barbara John hat der junge Türke endlich eine, wenn auch teure Wohnung gefunden. Seine nun nachziehende Ehefrau dürfte allerdings nach den Vorstellungen der Regierungskoalition erst einmal vier Jahre lang nicht arbeiten. Er selbst bekäme statt der Aufenthaltsberechtigung nur eine mit Einschränkungen gespickte Aufenthaltserlaubnis. Der Grund: Er hat als Berufsanfänger noch nicht die geforderten Rentenbeiträge für 60 Monate gezahlt. Das Beispiel von Barbara John, es warf nur einige Schlaglichter auf den Charakter des neuen Ausländergesetzentwurfes. Von den meisten ExpertInnen kritisiert wurde noch vieles mehr: Ein auch für Fachleute unübersehbares „Riesenarsenal“ von fast immer rücknehmbaren Befugnissen, befand etwa der ehemalige Verwaltungsrichter Fritz Franz. „Eine geschickt verpackte Anleitung für Behörden, Ausländer von unseren Grenzen fernzuhalten“, meinte der Vertreter des DGB. „Ohne Perspektiven für Nichtdeutsche und deswegen eine Gefahr für die Demokratie“, so urteilte der als einziger Ausländer geladene türkische Professor Hakki Keskin. Scharf verurteilt wurde die Visumspflicht für ausländische Kinder, die zahlreichen Einschränkungen der sogenannten Wiederkehroption für Jugendliche, die geplanten sehr viel schärferen Ausweisungsbestimmungen. Der Vertreter des Hohen Flüchtlingskommissars monierte die restriktiven Regelungen des ebenfalls geplanten neuen Asylverfahrensgesetzes. Amnesty international übte heftige Kritik an der zukünftigen unsicheren rechtlichen Situation sogenannter De-facto -Flüchtlinge.

Rückendeckung bekam die Regierungskoalition am Mittwoch nur von wenigen Sachverständigen. Deren Urteile allerdings schienen offensichtlich auch einigen Vertretern der Regierungskoalition nicht immer zu behagen: etwa die Einschätzung des baden-württembergischen Rechtsprofessors, wonach die Ausländer eine potentielle „ökologische Gefahr“ sind. Oder die Interpretation des Münchener Kreisverwaltungsreferenten: Ausländerfeindlichkeit rühre daher, daß die Behörden dem verbreiteten Mißbrauch des Asylrechts nicht entschieden genug entgegenträten. Auf die Frage einer SPD-Abgeordneten allerdings, ob das Beispiel von Barbara John denn zu widerlegen sei, fand niemand eine Antwort.

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