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Presse kein Verbrecherwerkzeug

■ Vor dem Hintergrund des Gladbecker Geiseldramas aktualisiert der Presserat die journalistischen Arbeitsrichtlinien

Der Deutsche Presserat, das Selbstkontrollorgan der gedruckten Medien, hat seine Richtlinien für die publizistische Arbeit präzisiert und auf einen neuen Stand gebracht. Die bisherige Fassung wurde, wie der neugewählte Vorsitzende Karl Vogel (BDZV) und sein Stellvertreter Horst Schilling (DJV) in Bonn mitteilten, unter anderem durch neue Bestimmungen zur Frage von Interviews, Recherchen, Anzeigenkennzeichnung, Persönlichkeitsschutz und der Berichterstattung über Gewalttaten ergänzt.

Vor dem Hintergrund des Gladbecker Geiseldramas wird nunmehr festgestellt, die Presse dürfe sich nicht zum Werkzeug von Verbrechern machen und keine eigenmächtigen Vermittlungsversuche zwischen Verbrechern und Polizei unternehmen. Bei der Berichterstattung über angedrohte und vollzogene Gewalttaten müsse das Informationsinteresse der Öffentlichkeit gegen die Interessen der Opfer und Betroffenen sorgsam abgewogen werden. Ferner heißt es, die von einem Unglück Betroffenen dürften durch die Darstellungen in den Medien nicht ein zweites Mal zu Opfern werden.

Zu Streitfällen über die Authentizität eines Interviews heißt es, ein Interview sei dann als journalistisch korrekt anzusehen, wenn der Betroffene die endgültige Fassung autorisiert habe. Zum Problem der Namensnennung von Betroffenen in der Berichterstattung wird ein Katalog von Anwendungsbereichen und Abwägungskriterien genannt. Der Presserat hält ferner das Mittel der verdeckten Recherche im Einzelfall für gerechtfertigt, wenn damit Informationen von besonderem öffentlichem Interesse beschafft werden, die auf andere Weise nicht zugänglich sind. Zum Abdruck von Rügen nach Verstößen gegen den Kodex des Presserats wird festgestellt, der Leser müsse erfahren, welcher Sachverhalt der gerügten Veröffentlichung zugrunde lag und welcher publizistischer Grundsatz dadurch verletzt wurde.

Der Pressrat bot den Printmedien in der DDR und den dortigen Journalistengremien Partnerschaft und Zusammenarbeit an. Erwartet werde eine Aufhebung des Pressemonopols der SED und eine Entwicklung zur Medienvielfalt. Der Presserat wies darauf hin, daß auch DDR -Bürger sich mit Beschwerden an ihn wenden können, die sich gegen Presseerzeugnisse in der Bundesrepublik richten. Nachdrücklich verurteilte der Presserat Versuche, durch wirtschaftlichen Druck Einfluß auf die Berichterstattung zu nehmen. Auch dürften unter dem Vorwand des Urheberrechtschutzes der Öffentlichkeit Informationen nicht vorenthalten werden.

Dem Beschwerdeausschuß des Presserats lagen 19 Beschwerden vor, von denen neun für begründet gehalten wurden. In einem Fall erging ein Rüge gegen die 'Westdeutsche Allgemeine Zeitung‘ ('WAZ‘). Nach Ansicht des Presserates hatte die Zeitung durch einen Bericht über ein Kind, das von seiner Mutter im Ausland zur Prostitution verkauft worden war, die Persönlichkeitsrechte des Kindes schwer verletzt

dpa

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