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„Burntime 17 Minuten“ in Neuseeland

■ Unter dem Ozonloch steigt die Hautkrebsrate / Sonnentips im Wetterbericht, Vorsorgeaufklärung schon in der Schule / Auch Sonnenschutzcremes können gefährlich werden

Wellington (taz) - „Burntime in Auckland 17 Minuten“. Seit dem vergangenen Jahr hat die neuseeländische Wetterkarte eine neue Servicekategorie. Bei Sonnenscheinprognosen gibt Fernsehfrosch Jim mit ernster Miene einzeln für ein halbes Dutzend verschiendener Städte die Zeit an, nach der ein Durchschnittskiwi ungeschützt im Freien seine/ihre Haut verbrennen wird. Und das geht schnell: Bei 22 Grad schon geschieht dies in kaum mehr als einer Viertelstunde. Neuseeland, so nah wie kein anderer Staat der Erde unter dem riesigen Ozonloch über der Antarktis, kämpft mit dem Hautkrebs.

Nirgends finden die „malignen Melanome“ mehr Opfer als hier. Allmählich siegen Angst und Vorsicht über den Bräunungsfimmel. Schon in der Vorschule werden Kinder über die gefährliche Sonne unterrichtet, viele tragen einen Kopfschutz rundum mit Lätzchen über dem Nacken, andere tragen Zinksalbe dick auf Nase und Lippen, und RadfahrerInnen schmieren sich auch die Knie zu.

Die starke UV-Strahlung merkt auch jede/r TouristIn sehr schnell - es scheint drückend heiß, aber sobald die Sonne hinter einer Wolke verschwindet, merkt man, daß einem/r die Luft nur so warm vorgekommen ist. Also verstecken auch die BesucherInnen ihre Haut alsbald unter breitkrempigem Hut, Hemd und langer Hose auch bei Sommerhitze und verzichten auf stundenlange Strandexzesse.

In Australien wurde jetzt jede Steuer auf Sonnencremes abgeschafft. Die neuseeländische Regierung weigert sich noch. Manche fordern schon Schutzlotion gratis, damit niemand aus Geldmangel verbrennt. Aber gerade die scheinbare Patentlösung gegen die schnelle „Burntime“ (Lieblingsfaktor bei den Kiwis: satte 23) ist jetzt ins Gerede gekommen, durch Untersuchungen britischer Wissenschaftler. Die haben nämlich herausgefunden, daß aller Sonnenschutzfaktor über neun selbst gefährlich ist, er absorbiert nicht nur die krebsauslösende UVB-Strahlung, sondern macht gleichzeitig für eine verhältnismäßig größere Zahl von langwelligen UVA -Strahlen den Weg frei. Folge: Die Krebsgefahr steigt wieder. Und: Je höher der Sonnenschutzfaktor, desto schneller verliert die immer ledrigere Haut ihre natürliche Schutzfunktionen gegen jede UV-Strahlung. Mehr als Faktor sechs, so die Empfehlung, solle niemand aufschmieren, auch nicht unter dem Ozonloch.

Diese Nachricht wird die Kiwis noch mehr zu einer neuen Weißhautkultur zwingen. Zur zweiten nach der viktorianischen Zeit vor etwa 150 Jahren. Als vornehmlich Briten sich hier ansiedelten, ausgerechnet jenes mit natürlichen Pigmenten so gering ausgestattete Regen- und Nebelvolk, das in diesen Tagen feiert, wie gut es sich hier eingerichtet hat, unter der so kräftig strahlenden Pazifiksonne mit der schnellen „Burntime“.

Bernd Müllender

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