„Mit der EG als Hinterland kann ein Einzelbauer in der DDR nicht mehr existieren“

DDR-Bodenrechtler Prof.Dr.Günther Rhode plädiert für staatliche Reglementierungen bei der Bodennutzung / Er ist Leiter der Abteilung Boden- und Landwirtschaftsrecht in der Sektion Rechtswissenschaften an der Humboldt-Universität Berlin  ■ I N T E R V I E W

taz: Bodeneigentümer wollen jetzt ihr Land, das sie in den 50er und 60er Jahren zur Nutzung in die LPGs einbringen mußten, wieder aus den LPGs heraushaben, um es anderweitig zu nutzen oder zu verkaufen. Geht das?

Rhode: Unbestritten ist, daß LPG-Mitglieder aus der LPG austreten können. Es muß dann eine Lösung gefunden werden, welche Flächen sie bekommen, diese sollte beispielsweise nicht in der Mitte des LPG-Landes liegen. Aber die Frage ist ja: Hat ein Einzelbauer eine Perspektive? Wenn wir die EG als Hinterland haben, kann ein Einzelbauer unter unseren Bedingungen nicht mehr bestehen. Die Mehrzahl der Bauern hat sieben bis 15 Hektar in die LPGs eingebracht, damit können Höfe nicht existieren.

Was passiert, wenn Bauern austreten, ihre Flächen aber nicht weiter landwirtschaftlich nutzen, sondern verkaufen wollen?

Da gibt es ja schon Beispiele: Es kommen große Betriebe aus West-Berlin und wollen Golfplätze anlegen und Hotels bauen und so weiter. Hier vertreten wir den Standpunkt: Landwirtschaftliche Nutzfläche ist grundsätzlich nicht dazu da, um in Golfplätze umgewandelt zu werden. Man kann nicht ausschließen, daß für Errichtung von Bauten landwirtschaftliche Flächen benötigt werden, das war bisher auch schon so. Aber jetzt ist wichtig, daß eine Standortbestimmung vorgenommen wird, und zwar nach allgemeinen gesellschaftlich wichtigen Merkmalen.

Was heißt das?

Das muß erfolgen auf der Grundlage einer Flächennutzungsplanung. Mit ihr und einer Bebauungsplanung muß auch der Nutzungszweck der Flächen festgelegt werden. Die rechtlichen Veränderungen müssen sich dann nach diesen Nutzungsplänen richten.

Besteht nicht die Gefahr, daß das jetzt anarchisch verläuft?

Das hoffe ich nicht. Eigentlich ist das nicht möglich. Denn für den Verkauf von Boden gibt es ja bei uns eine genaue rechtliche Regelung. Jede rechtsgeschäftliche Veräußerung von Grundstücken bedarf der staatlichen Genehmigung. Ich gehe davon aus, daß die meisten Parteien und gesellschaftlichen Kräfte nicht nur heute, sondern auch nach der Wahl dafür eintreten, daß die rechtlichen Verhältnisse am Boden nicht ausschließlich den Marktgesetzen unterworfen werden. Boden muß anders behandelt werden als ein Fahrrad, ein Auto oder eine Schrankwand. Auch in westeuropäischen Verfassungen findet sich der Grundsatz, daß das Allgemeinwohl bei der Nutzung der Flächen und der Gestaltung der Eigentumsverhältnisse zu beachten ist. Ich hoffe sehr, daß das auch in der neuen Verfassung festgelegt wird.

Die Konflikte sind aber schon da. Es kommen jetzt die West -Eigentümer und beanspruchen ihr Land wieder. Wie bewerten Sie das rechtlich?

Das ist eine sehr komplizierte Frage. Man muß beide Seiten sehen. Diese Flächen sind in den letzten 30 Jahren von Bürgern unseres Landes genutzt worden. Die Grundstücke stehen unter staatlicher Verwaltung. Mit dem staatlichen Verwalter wurde ein Nutzungsvertrag geschlossen. Es ist zur Zeit nicht möglich, dieses Nutzungsrechtsverhältnis dann, wenn gebaut worden ist, allein durch Kündigung aufzuheben. Das wäre nur möglich durch eine gerichtliche Entscheidung. Wir gehen davon aus, daß der Rechtsschutz des Nutzers besteht. Die zweite Seite ist die der Eigentümer. Wird die staatliche Verwaltung nicht aufgehoben, ruhen die Eigentumsrechte. Wird sie aufgehoben, und der Nutzer bleibt Nutzungsberechtigter, wäre zu fragen, ob der früher gezahlte Lastenausgleich ausreicht oder weitere Zahlungen an den Eigentümer notwendig sind. Fragen Sie mich aber nicht, woher wir das Geld nehmen sollen.

Die schlechteste Lösung wäre, daß die staatliche Verwaltung zu denkbar ungünstigen Bedingungen aufgehoben würde und sich die Rechtsverhältnisse nur noch abwickeln ließen zwischen dem früheren Eigentümer und dem Nutzungsberechtigten. Auch hier kann ich nur hoffen, daß unsere zivilrechtlichen Regelungen für den hohen Schutz der Nutzungsrechte erhalten bleiben. Mir scheint aber, daß es auch ein Anliegen der Regierung der BRD sein sollte, diesen Schutz der Nutzungsberechtigten, die in den letzten 30 Jahren die Grundstücke genutzt und gepflegt haben, zu erhalten. Sonst würden große soziale Spannungen entstehen.

Was sagen Sie als Jurist zu den Bodenspekulationen, die ja bereits begonnen haben?

Nach wie vor müßte auf der Grundlage von Raum- und Flächennutzungsplanung eine Genehmigung von Bodenkäufen vorgesehen werden. Klar ist zwar, daß das Preissystem verändert werden müßte. Die Politik der niedrigen Preise hat sich ja in der Vergangenheit nicht bewährt. Zugleich wissen wir aber auch, daß eine bloße Übernahme der bei Ihnen entstandenen Preise nicht möglich ist, obwohl mancher Grundstückseigentümer das inzwischen hofft. Viele Bürger sind ja schon nicht mehr bereit, ihre Grundstücke für Wohnungsbau zu verkaufen, und warten auf den großen Preisboom.

Und West-Investoren versuchen - auch bei den LPG-Bauern für Grundstückskäufe Strohmänner zu finden.

Das alles ist ja nur sinnvoll, wenn auch die Möglichkeit der Nutzungsänderung besteht.

Wem sollen die Flächen gehören, auf denen Joint-venture -Betriebe entstehen?

An dem Boden, der dort eingebracht wird, sollen ausländische Firmen kein Eigentumsrecht erhalten. Vielmehr wird der Boden zur Nutzung eingebracht. Ein Ausverkauf des Bodens an Bürger und Betriebe außerhalb unseres Landes soll verhindert werden, was sich ja auch in dem Gesetzentwurf zur Niederlassung ausländischer Betriebe niederschlägt.