OCKER PASTORAL

■ Franz Grabmayr in der Galerie Haas

Gefärbter Gipsgrund, dick wie Brei auf die Leinwand gespachtelt, läßt die Wandbilder wie Lavaverkrustungen erscheinen. Etwas zäh Verfließendes kam zu Halt, setzte Schorf und Kruste an, trocknete allmählich aus und blieb dann so in warmen, erdigen Farben. Wo ein Umbra sich zurücknimmt, wird es von aschigem Grau geflankt. Wo ein Blau leuchtet, da ist auch ein lichtes Ocker nicht weit. Dieser Kolorismus mit komplementären Farben kann sich auf eine lange Tradition berufen und unterwirft sich hier, in den Bildern von Grabmayr, noch immer dem Gesetz der Homogenität, dessen Botschaft eine freundliche ist. Das Zusammenspiel der Farben erfreut unser Herz.

Diese Farben wollen nicht ergreifen, nicht verblüffen, nicht verwirren; sie sind nicht im geringsten aggressiv. Sie kommen aus dem Vorbild Natur. Grabmayr verarbeitet Sand, Kiesel, Stroh, Asche, verwendet nicht nur Pigmente, zitiert Natur ebenso in ihren Materialien. Aber so naturhaft jedes einzelne Bild erscheint, so, in dieser Dichte, kommt es niemals in der Natur selbst vor. Dennoch stellt sich der Gedanke an Krater, Wüste, Fossiles sofort ein und evoziert die Idee einer unvermessenen Zeit.

Grabmayrs Bilder sind, gedankenlos und zerstreut besehen, ornamental. Sie bedeuten nicht mehr als die jeweils verwandten Farben und Materialien. Sie können Aufschluß über Farbwirkungen geben; da aber bleiben sie konventionell und risikolos. Komponierte dieser Maler, klänge es mild wie ein Quartett von Schubert, lind wie eine Pastorale. Die Bilder beruhigen in Farbton und Akzenten. Und stehen Frau und Mann länger davor, schauen und fahren mit den Augen den Reliefs in eingedickt verflossenen Farben nach, sehen sie Zeit Hand in Hand mit Natur im Bild gerinnen. Das Vorbild wird erinnerbar: das Uralte, ungeteilt Pulsierende. Das ist ein Mythos und als Mythos durchschaut. Diese Bilder sind nicht nur im Rückgang auf eine Naturvorstellung erkennbar. Ähnliche Farbtönungen und Kontraste kann jeder Kinofreak in der Werbung schon seit Jahren sehen. Das rottonige Marlboro -Country mit grau-grünlichen Lichtreflexen, die Camel -Wildnis, die Simulation des Unzeitigen von Prince Denmark, sie können ebenso als Bezugsrahmen gesehen werden wie die Koloristen und Farbexperten Albers und Gonschoir. Das ist das Wunderbare: daß in dieser Ausstellung der Farbwert wild -zerklüfteter Landschaften aufgeht - ganz für sich, ohne Botschaft, ohne Vereinnahmung durch ein Label.

Niemand muß die Tradition der Farbforscher und ihrer Theoretiker kennen - ein wacher Blick auf das Naturtheater der Kinowerbung tut's auch - um eine weitere Differenz zu erkennen. Diese Farben sind nicht reproduzierbar. Sie wirken wirklich nur im Original; und das Original ist nicht die Natur, sondern das Bild. Also nichts wie hin - später wird sich im Kino manch einer dieser Bilder erinnern.

Peter Herbstreuth

Franz Grabmayr, noch bis zum 21. April in der Galerie Michael Haas, Niebuhrstraße 5, 1/12.