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Freie und faire Wahlen

■ Die Wahlbeobachter des Europarates bei den gestrigen Wahlen in der DDR sprechen von einem „Wahlfest“ / Klagen über bundesdeutsche Einmischung

Wolfgang Blank wird nicht müde zu versichern, daß es bei den Wahlen wirklich frei und fein zugeht. Bereitwillig gibt der Abgeordnete der Österrreichischen Volkspartei (ÖVP) Journalisten und wißbegierigen DDR-Bürgern Auskunft über seine Eindrücke. Blank, der in Ost-Berlin mit Nic Tummer, einem Abgeordneten der niederländischen Arbeiterpartei, unterwegs ist, gehört zu den zehn Delegierten des Europarates, die als Wahlbeobachter durch die DDR reisen.

Erst am Samstag hat sich Blank, der Berichterstatter der Delegation, in einem intuitiven Auswahlverfahren für etwa 100 der 2.000 Berliner Wahllokale entschieden. Er hat sie in seinem Stadtplan vermerkt, auch wenn er glaubt, nur 20 bis 30 besuchen zu können.

Seit Donnerstag schon hatten sich die zehn Wahlbeobachter über Ablauf und Vorbereitung der Wahl informiert. Einigkeit besteht darüber, daß „formell Chancengleichheit“ bestanden hat. „Allerdings“, räumen Blank und Tummers ein, „gab es bei den Gesprächen mit den Parteivertretern immer wieder Klagen über die bundesdeutsche Dominanz im Wahlkampf und die strukturellen Vorteile der PDS.“

Kurz nach 9 Uhr betreten Blank und Tummers das erste Wahllokal im Wasserstraßen-Hauptamt. Zum ersten Mal stellen sie die später immer wiederkehrenden Fragen nach Zusammensetzung der Vorstände, der Einweisung in die neuen Aufgaben und nach möglichen Beeinflussungen der Wähler.

Alles geht zur vollen Zufriedenheit der beiden aus. Bereits am Mittag, nach zwölf Stichproben, sind die beiden Europaabgeordeten überzeugt: Die Volkskammerwahlen sind unmanipuliert, fair und frei.

Verstöße gegen die Wahlordnung haben sie nicht feststellen können. Sichtlich beeindruckt sind sie von der hohen Wahlbeteiligung. Das Beeindruckendste sei für sie aber, „das fast enthusiastische Engagement“ der Wahlverbände. „Das ist ein Wahlfest, die Leute haben eine ungeheure Motivation.“

Daß die Wahlverbände ihre Aufgabe wirklich ernst nehmen, mußte Blank in der Kochstraße erfahren. Dort wollte ihm der Vorsitzende des Wahlvorstandes gerade noch gewähren, das Wahllokal zu betreten und die Stimmauszählung zu verfolgen. Zu mehr sei auch Blank trotz seines Sonderausweises nicht berechtigt.

ddp

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