: Multis erobern Ungarns Medienmarkt
■ Murdoch, Springer und Maxwell haben sich auf dem Printmedienmarkt eingekauft / Moratorium stoppt weitere Privatsender
Budapest. Angefangen hat alles im November 1988: In einer Startauflage von 170.000 Exemplaren erschien die erste Nummer der Zeitschrift 'Reform‘. Der Erfolg war überwältigend. Jedesmal war die Auflage innerhalb weniger Stunden restlos ausverkauft; Photokopien von 'Reform‘ wurden bald schon zu horrenden Preisen gehandelt. Das war verständlich, denn die staatstreue Presse drückte sich noch vor brisanten Themen, die Blätter waren meist langweilig geschrieben und lieblos aufgemacht. 'Reform‘ hingegen ist farbig, in erstklassiger Qualität gedruckt und leserfreundlich konzipiert. Hierzu gehörten auch eine Prise Sex, ein wenig Klatsch und - auf den vorderen Seiten politisch bristante Stories. Das Boulevardblatt wurde vom Reform-Verlag herausgegeben, an dem neben Banken und Verbänden auch zwei Parteiverlage beteiligt waren.
Seither ist vieles anders geworden. Die Auflage hat sich mittlerweile bei 400.000 eingependelt, die parteinahen Aktienpakete wurden verkauft, und - wohl die wichtigste Änderung - der Medienmulti Rupert Murdoch hat im Januar für eine Million Dollar 50 Prozent des Aktienkapitals übernommen.
Das 'Reform'-Aktienpaket war nicht die einzige Akquisition, die Murdoch in Ungarn getätigt hat. Für drei Millionen hat er sich gleichzeitig 50 Prozent der Tageszeitung 'Mai Nap‘ (Der heutige Tag) erworben. 'Mai Nap‘ wurde letztes Frühling lanciert und erscheint jeweils am Nachmittag in einer Auflage von etwa 100.000 Exemplaren. 'Mai Nap‘ konnte schon bald einen durchschlagenden Erfolg für sich verbuchen, sank doch die Auflage der einzigen Nachmittagskonkurrenz, des 'Esti Hirlap‘ (Abendzeitung), von 163.000 im Janaur 1989 auf 100.000 ein Jahr darauf. Die beiden Murdoch-Titel wollen sich nun den Markt aufteilen: Im 'Reform'-Verlag erscheinen ein wöchentliches Filmmagazin, eine Modezeitschrift und eine ungarische Presseschau. 'Mai Nap‘ hingegen beteiligt sich am ersten Kommerzfernsehen Ungarns, dem 'Nap TV‘, und gibt eine Frauenzeitschrift heraus. Weitere Aktivitäten sind geplant.
Murdoch ist nicht der einzige westliche Medienmulti, der im ungarischen Medienzirkus mitspielt. Auch Axel Springer hat schon vor Monaten in Budapest Fuß gefaßt, ein eigenes Büro eröffnet und Kooperationspläne mit 'Reform‘ erwogen. „Axel Springer Budapest“ hat sich aber aus dem 'Reform'-Verlag zurückgezogen und gibt nun eine Fernsehprogrammzeitung in 250.0900 Exemplaren heraus.
Wo Springer und Murdoch auftauchen, braucht man nach einem dritten Medienmulti nicht lange zu suchen: Robert Maxwell unterzeichnete am 13. Februar einen Vertrag, mit dem er 40 Prozent an der Tageszeitung 'Magyar Hirlap‘ erwarb. Für den in der Tschechoslowakei als Jan Hoch geborenen britischen Großverleger dürfte dies ein besonderer Triumph gewesen sein. In seiner alten Heimat sind nämlich seine Pläne, sich an der 'Lidove Noviny‘ (Volkszeitung) zu beteiligen, am Widerstand der Redaktion gescheitert.
Wahrscheinlich ahnten die tschechischen Journalisten schon, was ihnen im Falle einer Maxwellschen Übernahme blühen würde. Noch am Tage der Vertragsunterzeichnung wurde in Budapest bekanntgegeben, daß 23 Redakteurinnen und Redakteure des 'Magyar Hirlap‘ entlassen werden. Die viertgrößte Tageszeitung des Landes ist nämlich hoch defizitär. Mit einer Auflage von 95.000 Exemplaren erwirtschaftete das früher offiziöse, zeitweilige auch offizielle Regierungsorgan im vergangenen Jahr einen Verlust von 60 Millionen Forint (rund 1,75 Millionen DM).
Die restlichen 60 Prozent vom Aktienkapital des 'Magyar Hirlap‘ teilen sich drei ungarische Banken, der ehemalige Herausgeberverlag und eine Stiftung, welche die Interessen der Journalistinnen und Journalisten vertritt. Diese haben ein Vetorecht bei der Wahl des Chefredakteurs. Bereits vom nächsten Jahr an soll die Zeitung in einer neuen, für Vierfarbendruck ausgerüsteten Druckerei vor den Toren Budapests hergestellt werden, wie die Wirtschaftszeitung 'heti villaggazdasag‘ berichtete.
Über den Verkauf einer weiteren großen Tageszeitung wird zur Zeit noch verhandelt: Voraussichtlich werden der in den USA lebende Exilungar George Soros und die ungarische Postbank die Aktienmehrheit des 'Magyar Nemzet‘ (Ungarische Nation) übernehmen. Wie die ungarische Nachrichtenagentur 'mti‘ im Dezember meldete, lagen außerdem ein Angebot aus Kanada und eines der 'Frankfurter Allgemeinen Zeitung‘ vor. 'Magyar Nemzet‘ ist die drittgrößte Tageszeitung Ungarns und konnte als einzige der vier großen Blätter in den vergangenen zwölf Monaten eine Auflagensteigerung von fast 25 Prozent erzielen.
Um die beiden anderen großen Tageszeitungen ist es vorläufig noch ruhig. Aber sowohl die Parteizeitung der Sozialisten, 'Nepszabadsag‘ (Volksfreiheit) als auch das Gewerkschaftsblatt 'Nepszava‘ (Volksstimme) mußten im vergangenen Jahr die Auflage zum Teil massiv drosseln, weil viele Leserinnen und Leser die Preiserhöhungen im vergangenen Jahr zum Anlaß nahmen, ihr Abonnement zu kündigen.
Der stürmische Umbruch im Printsektor konnte auch an Radio und Fernsehen nicht schadlos vorbeigehen. Bereits 1986 lancierte der Staatssender 'Magyar Radio‘ einen ersten Kommerzsender, der vornehmlich für Touristen produziert wurde: das deutschsprachige „Radio Danubius“. Seit einem Jahr wird auf der Danubius-Frequenz das österreichische ORF -Monopol durchlöchert, denn die geschäftstüchtigen Ungarn haben die Frequenz täglich für mehrere Stunden an den österreischischen Sender „Antenne Austria“ vermietet.
Auf Mittelwelle betreibt „Magyar Radio“ zusammen mit westlichen Partner außerdem eine Station für Budapest, „Radio Calypszo“, und seit letztem Dezember ein Quartierradio. Im April des vergangenen Jahres erhielt der rein private Sender „Radio Juventus“ eine Sendelizenz für den Raum Veszprem (Westungarn), sendet vorerst aber nur wenige Wochenstunden. Seit dem 15. Januar ist „Radio Juventus“ nun täglich im Äther.
Weitere Privatradios konnten jedoch nicht mehr zugelassen werden, denn im letzten Sommer erließ die Regierung ein Moratorium für sämtliche Radio- und Fernsehlizenz-Vergaben. Schätzungsweise sind mehrere Dutzend Bewerber in den Startlöchern, um nach der Aufhebung des Moratoriums loslegen zu können.
Auch das Fernsehen hat Konkurrenz erhalten: Dreimal in der Woche strahlt der schon erwähnte Sender 'Nap TV‘, an dem die Murdoch-Zeitung 'Mai Nap‘ beteiligt ist, ein rund dreistündiges Frühstücksfernsehen aus. Das Programm bringt ein völlig dilettantisch zusammengestelltes Sammelsurium von Nachrichten, Werbespots und nicht deklariertem Sponsoring.
Eine weitere Kommerzstation, an der auch „Axel Springer Budapest“ beteiligt gewesen wäe, ist dem Moratorium zum Opfer gefallen. Auch der italienische Medienzar Silvio Berlusconi hat kürzlich in Budapest bekanntgegeben, daß er Interesse an einer TV-Beteiligung in Ungarn habe. Als das Moratorium im Juli 1989 in Kraft trat, lagen dem zuständigen Ministerium nicht weniger als 32 TV-Gesuche vor.
Peter Haber
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