Dreht US-Wind gegen Salvadors Rechte?

Zehn Jahre nach der Ermordung Erzbischofs Romero und einer erfolglosen El-Salvador-Politik gerät die Bush-Administration unter Druck, ihre Militärhilfe einzustellen / 10.000 demonstrieren in Washington  ■  Aus Washington Rolf Paasch

Nur einen Monat, nachdem er den damaligen Präsident Carter in einem Brief um die Beendigung aller US-Hilfe für die salvadorianische Militärregierung gebeten hatte, wurde Erzbbischof Romero am 24.März 1980 ermordet. Zehn Jahre später scheint dieser Brief in Washington immer noch nicht angekommen zu sein. Und so gab es auch am 10.Jahrestags der Ermordung Romeros durch die Todesschwadronen des Arena -Gründers Robert D'Abuisson für die US-Solidaritätsbewegung immer noch Grund genug, in Washington wieder auf die Straße zu gehen.

Trotz heftigen Schneestreibens zogen am Samstag morgen in der größten El-Salvador-Demonstration seit Jahren 10.000 US -Bürger vom Kapitol vor das Weiße Haus, um von der Bush -Administration eine grundsätzliche Änderung ihrer Mittelamerika-Politik zu fordern: den Abzug der US-Truppen aus Panama und Honduras; die sofortige Demobilisierung der Contras und eine Ende der US-Einmischung in Nicaragua sowie das Ende aller US-Unterstützung für Cristiani-Regierung und Militär in El Salvador. Seit einer Dekade haben drei US -Administrationen vergeblich versucht, den Bürgerkrieg zwischen der Farribundo Marti (FMLN)-Befreiungsfront und Regierung bzw. der Armee mit Wirtschafts- und Militärhilfe in ihrem Sinne zu lösen. 4,5 Mrd. Dollar (7,6 Mrd. DM), sechs folgenlose Wahlen und 70.000 Tote - danach dämmert es nun selbst einer Reihe von Kongreß-Abgeordneten, daß vielleicht über eine Änderung dieser kontraproduktiven Politik der Vereinigten Staaten nachzudenken wäre.

Jüngster Anlaß für das Aufkommen neuer Zweifel an der Wirksamkeit der El-Salvador-Strategie war der brutale Mord an sechs Jesuitenpriestern und zweier Frauen im November letzten Jahres. Seitdem haben vor allem die auch in El Salvador aktiven Kirchen versucht, mit einer verstärkten Lobby in Washington den Kongreß zu einer Beendigung der Finanzhilfe zu bewegen. Derzeit beraten die Abgeordneten über eine Gesetzesvorlage von Senator John Kerry, die eine Fortsetzung der US-Finanzhilfe für die Regierung Cristiani an die Einhaltung der Menschenrechte in El Salvador bindet. Ähnliche Initiativen hatte es jedoch schon öfter gegeben, ehe sich dann immer wieder herausstellte, daß die Halbwertzeit der Empörung über besondere Grausamkeiten der Militärs in Washington nur wenige Wochen beträgt.

Diesmal allerdings, so hoffen Aktivisten, Kirchenvertreter und einige liberale Kongreßmitglieder, könnte es anders sein. Zum einen haben die Ereignisse in Osteuropa auch die Konflikte in Mittelamerika entideologisiert und in Washington die Toleranz gegenüber einem möglicherweise sozialdemokratisch regierten El Salvador heraufgesetzt. Zum anderen denken angesichts des enormen Haushaltsdefizits heute selbst Konservative darüber nach, ob die täglich nach El Salvador geschickten 1,5 Millionen Dollar nicht anderswo besser zu verwenden wären. „Der Kongreß verliert einfach die Geduld mit der Bush-Administration“, beschreibt Michael Posner vom „Anwaltskomitee für Menschenrechte“ die derzeitige Stimmung auf Capitol Hill. „Die Chancen für einen Wandel in der US-Politik gegenüber El Salvador waren in den letzten zehn Jahren noch nie so gut wie heute.“ Andere sind weniger optimistisch. Erst recht, wo Präsident Crisitani mit dem gepflegten Wesen bei seinem Washington-Besuch im Januar erneut den Eindruck erwecken konnte, er meine es mit seinen Versuchen zur Disziplinierung der tötenden und folternden Soldateska El Salvadors wirklich ernst.

„Der sich neu bildende Konsens im Kongreß für eine Änderung der El-Salvador-Politik“, so faßt Larry Birns vom „Council of Hemispheric Affairs“ die politische Situation in Washington zusammen, „reicht noch nicht dazu aus, das Spiel wirklich zu beenden. Er signalisiert allerdings der Bush -Administration, daß die Zeit für ihre jetzige El-Salvador -Politik langsam aber sicher ausläuft.“