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Schleswig-Holstein SPD-umschlungen

Die Partei Engholms ging aus den Kommunalwahlen erstmals als stärkste Partei hervor / Auf dem platten Land und in vielen Gemeinden könnte dennoch eine Koalition aus FDP und CDU weiterregieren / Liberale und unabhängige Wählerlisten sind die überraschenden Gewinner  ■  Aus Kiel Jürgen Oetting

Erstmals seit vierzig Jahren ist die SPD stärkste Kommunalpartei in Schleswig-Holstein. Bei den Kommunalwahlen am Sonntag erzielte sie ein Gesamtergebnis von 42,9 Prozent. Die CDU kam auf 41,3 Prozent. Trotzdem können die SozialdemokratInnen mit dem Ergebnis der Wahl vom Sonntag nicht rundum zufrieden sein. Denn die Union verlor zwar überall ihre absoluten Mehrheiten, blieb aber in acht der 15 Kreise und kreisfreien Städte stärkste Partei in den Kommunalparlamenten. Gemeinsam mit einer wiedererstarkten FDP könnten die ChristdemokratInnen damit auch weiterhin das flache Land regieren. Die SPD-Gewinne werden sich in der Praxis nur in den vier kreisfreien Städten und im Hamburger Umland auswirken.

Die Grünen verloren im Vergleich zur vorigen Kommunalwahl 1,4 und kamen auf ein Gesamtergebnis von 6,0 Prozent. In ländlichen Gebieten und kleineren Städte erlebten sie schmerzhafte Einbrüche. Die Wählerliste der dänischen Minderheit SSW konnte ihren Bestand im Norden halten. Die „Republikaner“ zogen in kein Kommunalparlament ein, ihr höchstes Ergebnis wurde mit 3,1 Prozent in Lübeck registriert. Insgesamt bekamen sie 0,9 Prozent, traten aber nicht überall an.

Im Kieler Landeshaus beanspruchten am Wahlabend die Spitzenpolitiker der beiden großen Parteien den Wahlsieg jeweils für sich. SPD-Ministerpräsident Björn Engholm, Gallionsfigur des Wahlkampfes, sprach von einem „schönen Ergebnis“ und wollte nur Vergleiche zur Kommunalwahl von 1986 gelten lassen. Dergegenüber hat die SPD am Sonntag um 2,6 Prozent zugelegt, die CDU verlor 2,9 Prozent. Der Landesvorsitzende der Union dagegen, Ottfried Hennig, zog die CDU-Schlappe der Landtagswahlen von 1988, die stark unter dem Eindruck der Barschel-Affäre gestanden hatten, als Vergleich heran und feierte einen Erfolg. Im Vergleich zu Landtagswahlen legte die CDU acht Prozent zu, die SPD verlor 11,9 Prozent. Als wirkliche Gewinner können sich dagegen die Liberalen fühlen, die jetzt wieder in zwölf Kreistagen vertreten sind. Nach der 86er-Wahl waren es nur vier.

Die Verluste der Grünen wirken mit 1,4 Prozent im Landesmaßstab noch verkraftbar, doch in einigen Regionen erlebten die Grünen ein Desaster. Insbesondere an der Westküste wird die parlamentarische Arbeit seit Sonntag ohne die Ökopartei vonstatten gehen. Im Kreis Dithmarschen scheiterten die Grünen zum widerholten Male an der Fünfprozenthürde, und auch im Kreis Nordfriesland gelang der Einzug in das Regionalparlament nicht. Das wird als Sensation gewertet, denn dort hatten sich die Grünen in zwölfjähriger parlamentarischer Präsenz fest etabliert. Schon 1978 war die Grünen-Vorläuferin „Grüne Liste“ hier als erste Ökologenfraktion der Bundesrepublik in einen Kreistag eingezogen. Ihre Rolle wurde jetzt von einer Unabhängigen Wählergemeinschaft übernommen. Die erzielte im ersten Anlauf 8,9 Prozent. Auch in Dithmarschen war ein Kreiswählergemeinschaft erfolgreich (8,0 Prozent).

Die grünen Verluste werden durch ihr Scheitern im Kreis Schleswig-Flensburg komplettiert, wo sie mit 4,3 Prozent aus dem Kreistag flogen. Darüber hinaus verloren sie in mehreren Kleinstädten ihre Rathausfraktionen. An ökologischen Brennpunkten wurde ihr Part auch hier von Wählergemeinschaften übernommen. So erzielte eine Bürgerliste gegen Industrieansiedlungen im Rendsburger Vorort Büdelsdorf aus dem Stand 18,3 Prozent. In Preetz bekam eine Wählergemeinschaft, die sich gegen eine geplante Umgehungsstraße gegründet hatte, 14,7 Prozent. Auch der Traum der Grünen von einer rot-grünen Koalition in der Landeshauptstadt Kiel ging nicht in Erfüllung, denn dort erreichte die SPD sogar die absolute Mehrheit. Die Krise der hanseatischen GAL wirkte sich dagegen im Hamburger Umland kaum auf das Wahlergebnis aus. Dort konnte die Alternativpartei ihren Bestand weitgehend wahren.

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