: Jean Harlows Reize
■ „Feuerkopf“ um 22.25 Uhr auf 1 plus
Mit dem Film Feuerkopf startete Jean Harlow 1932 ihre zweite Karriere. Als berechnende Sekretärin, die mit Hilfe ihrer weiblichen Reize ihren Chef zu erobern sucht, um so gesellschaftlich aufzusteigen, konnte die Harlow sowohl ihr komödiantisches Talent als auch ihre wie naturgegebene, aggressive Sinnlichkeit voll ausspielen. Nach diesem Erfolg sah das Kinopublikum sie mehrfach in ähnlichen Filmen, deren Konstellationen mit dem Titel Wive vs. Secretary (1936) sehr treffend wiedergegeben sind, auch wenn, um die für die im Parkett sitzende gute amerikanische Ehe- und Hausfrau bedrohliche Wirkung zu mildern, die Handlungen mitunter an exotische Orte verlegt wurden.
Als Platinum Blonde und Bombshell (ebenfalls Filmtitel) ging die 1911 geborene Schauspielerin in die Filmgeschichte ein und wurde, nicht zuletzt aufgrund ihres frühen Todes, zur Legende.
Ihr Lebenslauf liest sich wie ein Kolportageroman der Jackie Collins-Klasse. Im zarten Alter von 15 riß die gebürtige Harlean Carpenter von daheim aus, um eine kurzzeitige Ehe einzugehen. Unter dem Mädchennamen ihrer Mutter begann die junge Frau mit dem großen Durchsetzungsvermögen im gleichen Jahr eine Filmkarriere zunächst als Statistin. In den Zwanzigern zog Jean dann mit Mutter und dem ungeliebten Stiefvater, der sich immer wieder ungefragt in ihre Pläne mischte, nach Hollywood, wo sie kleine Rollen in Filmen von Lubitsch, Chaplin und anderen erhielt. Zu erstem Starruhm gelangte sie, als Howard Hughes ihr 1930 eine Hauptrolle in Hell's Angels gab. Jean Harlow hatte mit der Filmfirma des exzentrischen Millionärs einen festen Vertrag, wurde aber trotz ihres erfolgreichen Debüts nicht mehr eingesetzt und mußte sich damit abfinden, an andere Firmen ausgeliehen zu werden. Der Grund für diesen Boykott lag eben in ihrer sinnlichen Präsenz, die einen harmlos gemeinten (später gern zitierten) Dialogsatz wie „Würde es Sie stören, wenn ich rasch in etwas Bequemes schlüpfe?“ zu einer frivolen Zweideutigkeit machte, mit der sich die sexualfeindlichen GrundwächterInnen Amerikas nicht abfinden mochten. Erst als der Autor, Produzent und spätere Harlow-Gatte Paul Bern dafür sorgte, daß die MGM Harlows Vertrag übernahm, begann die eigentliche Karriere der Jean Harlow, eben mit Feuerkopf (Red-headed Woman). Der Zorn der Moralwächterinnen entzündete sich zum einen an der Art und Weise, wie die Harlow als verruchte, aber sehr patente Figur brave (Ehe)-Männer auf ihre Seite zog, zum anderen die aufreizende Stilisierung der Schauspielerin. In Dinner at Eight beispielsweise trug die Harlow ein Satinkleid, dessen enger Schnitt ihr nicht einmal erlaubte, sich in den Drehpausen zu setzen. Darum mußte eine schräge Stützliege gebaut werden, damit sie sich zwischendurch ohne zeitraubenden Kostümwechsel entspannen konnte.
Privat wurde der erfolgreiche Star vom Pech verfolgt. Neben aufreibenden Streitereien mit ihrem Stiefvater wurde ihr Leben überschattet vom Selbstmord Paul Bernds, der sich zwei Monate nach der Hochzeit erschoß. Ihre ein Jahr später geschlossene dritte Ehe endete nach sechs Monaten. Diese Rückschläge suchte die Harlow vermutlich durch Arbeit zu kompensieren; in weniger als vier Jahren machte sie für MGM zwölf Filme. Nebenbei schrieb sie einen erotischen Roman, der mit Rücksicht auf das Image des Stars und des Studios von MGM aufgekauft und im „Giftschrank“ verschlossen wurde. Die Harlow starb 1937 im Alter von 26 Jahren an einem Nierenleiden, nachdem ihre Mutter aus religiösen Gründen eine medikamentöse Behandlung verweigert hatte.
1plus startet mit Feuerkopf eine Reihe mit acht Jean Harlow-Filmen.
Harald Keller
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen