Jetzt geht die müde Oma schlafen

■ Zu Arthur Penns Pferdeoper „Duell am Missouri“

Ich glaube, es war 1977 oder '78, als ich Arthur Penns Duell am Missouri das erste Mal gesehen habe. Ich erinnere mich noch genau, daß ich unheimlich gespannt war auf den Film. Die beiden Superstars Marlon Brando und Jack Nicholson zusammen mit einem Regisseur, der sein Handwerk verstand, da konnte man schon einiges erwarten. Was man so an Klatsch über den als Edel-Western gehandelten Film mitbekam, machte die Sache nur interessanter: Drei Millionen Dollar Gage plus prozentualer Beteiligung für Brando, Minderwertigkeitskomplexe während der Dreharbeiten bei Nicholson, der aber nach Fertigstellung gleich wieder aufmuckte und frech den Produzenten Elliot Kastner verklagte, weil er eine Million Dollar Nachzahlung forderte, für die paar Tage, die er über die vereinbarte Zeit hinaus gearbeitet hatte.

Außerdem war zu hören, daß Marlon Brando seine darstellerischen Macken diesmal voll ausspielen durfte, das hatte er nach heftigen Streitereien mit seinem alten Freund Penn durchsetzen können. So spielt er dann auch die Rolle des neurotischen Mietkillers Lee Clayton etwas mehr als exzentrisch. Nachts hält er Zwiegespräche mit seinem Pferd („die Lippen von Salome, die Augen von Kleopatra“). Er verkleidet sich als chinesischer Kuli oder als alte Farmersfrau, um die Viehdiebe abzuschlachten, danach murmelt er dann: „Jetzt geht die müde Oma schlafen.“

Nach der Vorstellung war ich total verwirrt. Denn nachdem ich Bonnie and Clyde, Alice's Restaurant und vor allem Little Big Man gesehen hatte, war aus mir ein glühender Arthur-Penn-Fan geworden. Doch mit diesem seltsamen Spätwestern konnte ich absolut nichts anfangen. Verflucht noch mal, da spielte der große Marlon Brando, und auch Jack Nicholsons Stern strahlte damals schon verdammt hell, und ich wäre ein paarmal fast eingenickt. Irgendetwas mußte ich übersehen haben, irgendjemand mußte mir den Film erklären. Zur damaligen Zeit war ich noch ziemlich naiv, ich vertraute den Filmtheoretikern und den Kritikern.

Zunächst suchte ich Erleuchtung im rororo-Filmlexikon. Dort wußten sie ein paar recht interresante, aber alles andere als aufregende Dinge über den amerikanischen Regisseur zu berichten, für mein spezielles Problem fand ich folgenden Eintrag: „In dem Western The Missouri Breaks (1976) fand sein (gemeint ist Penns) bevorzugtes Motiv von der Gewalt, die aus dem Zusammenprall eigenständiger Persönlichkeiten und gesellschaftlicher Prinzipien entstehen muß und die, wenn sie ausbricht, ungleich mehr Schaden anrichtet als ohne die Prinzipien entstanden wäre, seinen bislang prägnantesten Ausdruck.„ So so, dachte ich, äußerst präzise formuliert diese fundierte Kritik, aber ob sie den Film nun gut oder schlecht fanden, hatte ich trotzdem noch nicht kapiert.

Ich wühlte weiter. Der katholische 'Filmdienst‘ predigte mir etwas von einem „eigenwilligen , psychologisch differenzierten Western„, der angeblich immer nur dann spannend sein sollte, „wenn das Tempo der äußeren Handlung sich verlangsamt„. Eigentlich hatte ich nicht die Spur von Tempo in dem Film bemerkt, aber ich war ja auch kein Experte. Der Kritiker der 'Süddeutschen Zeitung‘ vermißt das Tempo überhaupt nicht: „Arthur Penns Western ist immer dann am intensivsten, wenn die Figuren und mit ihnen die Story ein wenig zur Ruhe kommen und die Zeit still zu stehen scheint.„ Der 'Münchner Merkur‘ erklärte mir, daß Penn sich „Zeit nimmt für Gespräche, für skurrile Nuancierungen seiner Figuren und eine zart-ironische Liebesgeschichte„, das war mir nun auch aufgefallen. Genau diese komischen Nuancierungen waren es doch, die mich so fertig gemacht hatten. Aber war das jetzt große Filmkunst oder was?

Inzwischen weiß ich natürlich, wie der Hase läuft. Die ganze Kritikermeute konnte mit diesem Streifen auch nichts anfangen, und so plapperten sie einfach hochgestochen herum. Sie haben sich ganz einfach vor einer klaren Aussage gedrückt und damit meine Meinung bestätigt: Das ganze verdammte Ding ist stinklangweilig!

Karl Wegmann