: Hau weg den Süden!
■ Zur Freistaat-Idee des Prinzen von Sachsen
Es lebe der König und sein Stammhalter! Ausgerechnet Dr. Prinz Albert von Sachsen, Herzog zu Sachsen und Enkel des letzten sächsischen Königs Friedrich August III., hat die zündende Idee, wie das Deutschland einig Vaterland noch zu retten ist beziehungsweise wir vor ihm. „Der sächsische Volgsschlag ist begannt für Gewerbefleiß, Freude an der Arbeit und Heimadliebe“, vertraute er der Berliner 'Neuen Zeit‘ an, um aus dieser mentalen Nähe zu unseren südlichsten Brüdern und Schwestern sogleich die Lösung für die süddeutsche Frage zu folgern: „Ich blädiere für einen Freistaat Sachsen analog dem Freistaat Bayern, zu dem enge historische und kulturelle Beziehungen bestehen.“ Daß er damit nur einen Teil seiner wahren Loslösungsabsichten preisgab, zeigt nur, daß er keineswegs ein dummer August, sondern ein wahrer und würdiger Urenkel von August dem Starken ist.
In Wirklichkeit nämlich, das beweisen der taz vorliegende geheime Tagebuchaufzeichnungen, soll die gemeinsame Freistaatisierung von Bayern und Sachsen wohl nur der erste Schritt im Unabhängigkeitskampf des Südens sein. Der Graben zwischen Norddeutschland und Süddeutschland, so lautet offenbar die Grundeinsicht des klugen Prinzen, ist nämlich tiefer und unüberwindlicher als zwischen Westdeutschland und Ostdeutschland. Daß hier die wahren deutsch-deutschen Verwerfungen beginnen, daß es ein Kreuz ist mit dem jeweils anderen Landesteil, beweisen ja jedes Mal aufs neue die Kreuze bei den Wahlen. Wie einfach also wären die deutschen Gefilde mit Glück zu füllen, wenn nun die roten Landeskinder im Norden und die schwarzen im Süden endlich unter sich bleiben dürften! Sezession! Hurra! Hau weg den Süden und Ruhe im Karton!
Dem sächsischen Prinzen mag es dann überlassen bleiben, wie er die Südstaatler einigt: ob in einem Königreich Schwachsen als Zusammenschluß von Sachsen und Schwaben, ob in der Republik Waldheim unter Einschluß von Österreich oder ob gar nicht. Dann mag auch gerne wieder, wie schon fast durchgehend in der deutschen Geschichte, die Vielstaaterei mit Fürstentümern in Bayern, Sachsen und Thüringen vorherrschen. Es lebe der König und die freie Republik Norddeutschland!
Ute Scheub, Exilschwäbin
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