: Der Bundesbulle und das Landei
■ Zu Roger Spottiswoode Berg- und Tal-Thriller „Mörderischer Vorsprung“, ARD, Samstag um 22.05 Uhr
Ungleiche Männerpaare, möglichst ein Schwarzer und ein Weißer, tauchen schon seit einigen Jahren mit schöner Regelmäßigkeit auf der Leinwand auf. Da haben wir zum Beispiel Eddie Murphy und Nick Nolte in Walter Hills Nur 48 Stunden oder Danny Glover und Mel Gibson in den beiden Lethal-Weapon-Filmen. Auch Regisseur Roger Spottiswoode, der schon mit seinem Nicaragua-Thriller Under Fire angenehm aufgefallen war, machte sich diese erfolgreiche Kombination zu eigen. Für seinen Film Mörderischer Vorsprung (1988) wurden Sidney Poitier und Tom Berenger als Hauptdarsteller verpflichtet.
Der Film beginnt wie einer dieser knallharten Großstadtkrimis. Ein offensichtlich geistesgestörter Gangster ist in das Privathaus eines Juweliers eingebrochen, hat die Frau als Geisel genommen und den Ehemann gezwungen, in seinen Laden zu fahren und ihm den Diamantenvorrat zu beschaffen. Dabei wird er von der Polizei überrascht. Als die Cops seine Geschichte hören, schalten sie das FBI ein. Special Agent Warren Stantin (Sidney Poitier) übernimmt den Fall und vermasselt ihn. Der Psychopath erschießt seine Geisel, entkommt mit einem Sack voll Diamanten und läßt den Bundesbullen verdammt schlecht aussehen. Stantin ist natürlich stocksauer und setzt seinen ganzen Apparat in Bewegung, um eine Spur von dem irren Killer zu finden.
Am Fuß der Rocky Mountains werden sie schließlich fündig. Der Gangster hat einen Urlauber erschossen und sich einer Gruppe angeschlossen, die unter der Leitung der erfahrenen Bergführerin Sarah (Kirstie Alley) eine mehrtägige Klettertour unternehmen. Sein Ziel ist es offensichtlich, auf diese Weise unbemerkt über die kanadische Grenze zu flüchten. Der FBI-Mann begibt sich also zur Jagd in die Berge. Leider ist Stantin ein waschechter Großstadtmensch, ein Asphaltcowboy. Das Gebirge macht ihn nervös, mit soviel freier Natur kann er einfach nichts anfangen. Hilfe naht in Form eines echten Landeis. Jonathan Knox (Tom Berenger) ist ebenfalls Bergführer und außerdem Sarahs Lover. Gemeinsam machen sich die beiden, die sich zunächst nicht riechen können, auf in die grandiose Bergwelt der Rockies um einen verrückten Mörder zu fangen.
Sidney Poitier (geb. 1927) war Autodidakt und einer der ersten Farbigen, die als Schauspieler zu Weltruhm kamen. Seine ersten Erfahrungen sammelte er als Darsteller beim American Negro Theater in New York. Sein Leinwanddebüt gab er 1950 in Der Haß ist blind, in dem er bereits seine typische Rolle des kultivierten Schwarzen spielte, an dem sich Rassenvorurteile demaskieren sollen. 1963 erhielt er für seine Rolle in Lilien auf dem Felde als erster Schwarzer den Oscar. Poitiers Charme und seine allgemeine Beliebtheit wurden von Hollywood immer wieder als Alibi eingesetzt und als Konzession an die schwarze Bürgerrechtsbewegung ausgebeutet. Ende der siebziger Jahre hatte der Schauspieler vom Filmgeschäft die Schnauze voll. Er zog sich zurück, um seine Autobiographie This Life zu schreiben. Fast zehn Jahren später ließ er sich jedoch wieder von Hollywood überreden und feierte mit Little Nikita und Mörderischer Vorsprung ein glänzendes Comeback.
Tom Berenger kommt vom Theater. Er war in zahlreichen Off -Broadway-Inszenierungen zu sehen, bevor Hollywood ihn entdeckte. Bei uns wurde er vor allem durch seine Rolle als brutaler Sergeant in Oliver Stones Vietnam-Film Platoon bekannt. Danach spielte er die Hauptrolle in Ridley Scotts Der Mann im Hintergrund (im neuen Film von Oliver Stone, Geboren am 4. Juli, hat er nur eine Nebenrolle).
Mörderischer Vorsprung hat alles, was ein spannender Thriller braucht. Poitiers souveränes Spiel und Berengers unterkühlte Darstellung des harten Naturburschen brachten den beiden dann auch jede Menge Kritikerlob ein. Spottiswoode hat routiniert inszeniert, und der Kameramann Michael Chapmann, der auch schon Scorsese Taxi Driver fotografierte, hat wahre Meisterleistungen vollbracht. Für die Sequenz, in der Tom Berenger an einem Seil hängend eine Schlucht überquert benötigte man zehn Drehtage. 13 Seile mußten über die Schlucht gespannt werden, damit der Kameramann die Actionszene möglichst effektvoll ablichten konnte. Die Sache hat sich gelohnt!
Karl Wegmann
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