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Droht in Nicaragua ein neuer Bürgerkrieg?

Am Montag begann in Honduras die Entwaffnung von 260 Contra-Kämpfern / Das Gros der Rechts-Rebellen ist aber wieder in Nicaragua  ■  Aus Managua Ralf Leonhard

Bürgerkrieg ist ein Wort, das in den letzten Tagen in Nicaragua wieder häufig zu hören ist. Die mangelnde Bereitschaft der Contras, die Waffen zu strecken und das Fehlen eindeutiger Stellungnahmen der künftigen Regierung haben ein Klima der Verunsicherung geschaffen. Für den Fall, daß die Konterrevolutionäre nicht planmäßig entwaffnet werden, haben die sandinistischen Gewerkschaften bereits mit einem Generalstreik gedroht.

Die Stimmung ist angespannt. Manche rechnen gar mit einem neuen Bürgerkrieg. Als Montag mittag auf dem internationalen Flughafen von Managua ein Wiesenbrand außer Kontrolle geriet und ein Militärflugzeug zur Explosion brachte, löste die weithin hörbare Detonation in der nicaraguanischen Metropole eine regelrechte Hysterie aus. Der Flughafen mußte mehrere Stunden gesperrt werden, und eine Delegation des Contra -Oberkommandos, die zu Gesprächen über die Demobilisierungsmodalitäten erwartet wurde, verschob ihre Ankunft um einen Tag.

Am Montag begann währenddessen die Contra-Entwaffnung unter Aufsicht der Beobachtergruppe der Vereinten Nationen (ONUCA). 260 indianische Kämpfer an der honduranischen Atlantikküste wurden zunächst einmal demobilisiert. Zwischen 500 und 1.000 Contras wollen am Mittwoch im Lager Yamales, der strategischen Basis der rechten Freischärler in Honduras, ihre Waffen abgeben. Eine wenig ernsthafte Veranstaltung, denn das Gros der Truppen ist in den vergangenen Wochen längst nach Nicaragua eingesickert und verunsichert jetzt den Norden und Osten des Landes. Während der Osterfeiertage sperrten die Contras in der Umgebung von Esteli, nur 150 Kilometer nördlich von Managua, die Hauptstraßen ab und überfielen Badende an einem nahegelegenen Wasserfall. Die Armee meldete allein am vergangenen Wochenende acht Contra-Attacken. Die Städte Esteli und Jinotega sind praktisch bereits von Contras umzingelt.

Unter den Bauern von Kooperativen in der schwer zugänglichen Bergregion um Rio Blanco, 140 km östlich der nördlichen Provinzmetropole Matagalpa, macht sich Panik breit. Denn ein Contra-Chef, der 900 Mann befehligt, hat angekündigt, daß er am Tag des Regierungswechsels 25 Genossenschaften an die ehemaligen Eigentümer zurückgeben wolle. In der Ostregion Boaco/Chontales befürchten die sandinistischen Militärs eine Großoffensive noch vor der Amtsübergabe am 25. April. Rund 2.000 Contras sollen sich in der Region aufhalten.

Die Sandinisten wollen zwar den Waffenstillstand einhalten, wappnen sich jedoch für alle Fälle. In den Regionen Matagalpa und Chontales sind die Reservisten bereits mobilisiert worden. Der sandinistische Parlamentsabgeordnete von Chontales, Luis Enrique Figueroa, glaubt nicht, daß die Contras planen, die neue Regierung zu stürzen: „Sie wollen sie wahrscheinlich nur zwingen, die hohen Militärs abzusetzen.“ Der Status der sandinistischen Offiziere dürfte auch Gegenstand der bevorstehenden Gespräche zwischen den Contra-Chefs und Violeta Chamorro sein.

„Wir sind dem Frieden sehr nahe. Aber auch dem Krieg“, stellte Daniel Ortega am Montag fest, nachdem er mit Kardinal Obando die Dringlichkeit der Contra-Demobilisierung besprochen hatte: „Die Contras muß aufgelöst und entwaffnet werden, damit es einen friedlichen Amtswechsel gibt.“ Auch die Volkskirche versucht in dieser Situation Druck auf die neuen Machthaber zu machen. Am 17. April begann in über 30 Kirchen eine Fastenaktion für den Frieden. Das Fasten soll bis zum 24. April, dem letzten Tag der sandinistischen Regierung, andauern.

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