Nachhilfe gegen Volkseigentum

■ Gewoba zeigt Rostocker Wohnungsverwaltern, wie freier Marktwirtschaft geht / Zusammenarbeit

Was für BremerInnen die „Gewoba“, ist für die Rostocker StädtepartnerInnen die „VEB Gebäudewirtschaft“. Ungefähr jede zweite RostockerIn wohnt in einer der rund 55.000 Wohnungen der VEB-Gebäudewirtschaft.

Und da geht das Problem auch schon los. Dem VEB gehört natürlich keine einzige Wohnung. Sondern - wie der Name „VEB“ sagt - gehören alle miteinander dem Volk, an sich sozusagen, im Gegensatz zur privaten Eigentumswohnung westlicher Prägung. Wer in Rostock eine Wohnung kriegt, bestimmt deshalb auch bis heute nicht das Unternehmen, sondern die staatliche Zuweisungstelle. Effekt: Regelmäßig stehen Hunderte der dringend benötigten Wohnungen leer, weil die staatlichen Stellen wochenlang brauchen, um den

Zuschlag zu erteilen. Das Volk hat von seinem Wohnungseigentum bislang zweierlei: Niedrige Mieten bislang bei 85 Pfennig bis 1,20 Mark monatlich. Und: Zugige Fenster, nasse Wände, bröckelnden Putz unter undichten Dächern.

Beides soll jetzt anders werden: Wie man mit höheren Mieten runtergekommene Häuser saniert und modernisiert und nebenbei soziale Marktwirtschaft lernt, wollen die Bremer Gewoba -Manager in den nächsten zwei Jahren ihren Rostocker KollegInnen beibringen. So sieht es ein Vertrag vor, den VEB -Betriebsdirektor Henning Tamm und die beiden Gewoba-Chefs, Eberhard Kulenkampff und Werner Teetz, jetzt unterschrieben haben.

Ab sofort werden die Gewoba-Experten danach ihre Rostocker

KollegInnen vor Ort in die Geheimwissenschaften des „Marketing“, „Controlling“, des Grundstücks -Bewirtschaftungswesens und der Objektrentabilitätsberechnung einweisen. Im Gegenzug kommen Rostocker Gebäudebewirtschafter für mehrwöchige Praktika nach Bremen, drei ausgewählten VEB-Azubis will die Gewoba jedes Jahr komplett in Bremen ausbilden.

Ein Ergebnis könnte z.B. sein: Einmal rauszukriegen, wieviel eine Rostocker Wohnung eigentlich kosten müßte. Das weiß, gestand Betriebsdirektor Tamm gestern, bislang kein Mensch. „Kalkuliert haben wir das nie. Wir haben nur Schätzungen, nach denen eine kostendeckende Miete ungefähr dreimal so hoch sein müßte wie bisher.“ Auch EDV ist in der Rostocker Wohnungsver

waltung bislang ein Fremdwort. Stattdessen gibt es für jede der 50.000 VEB-Wohnungen eine Akte, in der jeder Mieteingang per Hand verbucht wird: Insgesamt rund 40 Millionen Mark im Jahr, die übrigens nicht mal die Heizkosten decken. Kein Wunder, daß selbst für die notwendigsten Renovierungen kaum Geld da war, was, so VEB-Chef Tamm, bislang aber auch niemandem aufgefallen ist: „Da es sowieso kein Baumaterial und Fachpersonal gab, konnten wir uns bislang die Frage sparen: Wo nehmen wir das Geld dafür her.“

Auch das soll sich jetzt ändern: Die Gewoba will bei der Materialbeschaffung helfen und wird dafür im Gegenzug bei entsprechenden Auftragsvergaben „bevorzugt“ behandelt.

K.S.