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Seifenoper begeistert

■ TV-Serie von David Lynch begeistert US-Kritiker

Die Begeisterung der Kritiker kannte keine Grenzen: Von einem „Wunder“ sprach das Magazin 'Time‘, „beispiellos“ befand der Fersehrezensent der 'Washington Post‘, und die 'Los Angeles Daily News‘ schwärmte gar, das Stück werde „die Geschichte des Fernsehens verändern“.

Das gehäufte Lob gilt einer Serie mit dem Titel Twin Peaks, die auf den ersten Blick eine gewöhnliche Seifenoper mit Elementen des Kriminalfilms zu sein scheint, es aber in sich hat. Da liegt in einer Bank der ausgestopfte Kopf eines Hirsches auf dem Tisch, ein Polizist bricht beim Anblick einer Leiche in hemmungsloses Schluchzen aus, der Held der Serie, der FBI-Detektiv Dale Cooper (Kyle MacLachlen) hat die Angewohnheit, Berichte über den Fortgang der Ermittlungen in einen Kassettenrecorder zu sprechen, und er läßt in diese Berichte immer wieder einmal Details über die Qualität seines Mittagessens oder Überlegungen zu der Frage einfließen, was wohl zwischen Marilyn Monroe und den Kennedys vorgegangen sein mag.

Die Welt von Twin Peaks (Zwei Gipfel), einer fiktiven Kleinstadt im waldreichen Nordwesten der USA, die auf den ersten Blick so heil zu sein scheint, ist bei näherem Hinsehen eine schräge Idylle, in der kaum jemand das ist, was er zu sein vorgibt. Es sei, als ahbe der Geist des Surrealisten Salvador Dali von dem Meister der amerikanischen Genremalerei, Norman Rockwell, Besitz ergriffen, schrieb das Magazin 'Newsweek‘.

Der surreale Witz der Serie und die ausgefeilten Bilder tragen die Handschrift dees Regisseurs und Malers David Lynch, der in Filmen wie Eraserhead, The Elephant Man und Blue Velvet seinen Obsessionen mit dem Makaberen, dem Unergründlichen unter der glatten Oberfläche der Gesellschaft gefrönt hat. Daß eine der großen Fernsehgesellschaften, ABC, ausgerechnedt dem Autor dieser Streifen zur besten Sendezeit ihr Programm geöffnet aht, ist wirklich überraschend. Lynch gilt Kritikern auch heute noch als „echter Avantgarde-Künstler“. Alan Wurtzel, ABC -Abteilungsleiter für Forschung und Marketing, bezeichnet Twin Peaks als Test, bei dem der Zuschauer entscheiden könne, „ob etwas so Andersartiges beim Network-Fernsehen Erfolg haben kann oder nicht“. Wenn die Massen abschalten, dann werden auch die begeisterten Besprechungen die Serie nicht retten. Aber Lynch und Co-Autor Mark Frost, einer der Autoren der vielgelobten Polizeiserie Hill Street Blues, haben für den Fall, daß Twin Peaks nach den sieben Folgen eingestellt wird, eine kleine Bösartigkeit eingebaut: Der Mord, mit dem die Serie beginnt, wird auch in der siebenten Folge noch nicht aufgeklärt. Wenn Twin Peaks nicht weiterläuft, werden die Zuschauer nie erfahren, wer die schöne Schülerin auf dem Gewissen hat.

dpa

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