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Comandante Franklin legt die Waffen nieder

Die Demobilisierung der Contra-Streitkräfte hat nun tatsächlich begonnen, aber es ist immer noch ungewiß, ob der Zeitplan eingehalten werden kann / Den Kämpfern soll Land zugewiesen werden / Franklin träumt von politischer Rolle  ■  Aus El Almendro Ralf Leonhard

Das Bataillon „Jorge Salazar III“ stand Gewehr bei Fuß. Vierhundert ernste, kantige Bauerngesichter richteten sich auf die behäbige Gestalt des obersten Feldherren. „Jedem einzelnen ist die Entscheidung überlassen, sich zu entwaffnen oder nicht“, mahnte ein letztes Mal Israel Galeano, alias Comandante Franklin, der Chef der Contra -Truppen, am letzten Dienstag. Die Demobi lisierung der nicaraguanischen Konterrevolutionäre hatte nach mehr als acht Jahren Krieg be gonnen.

Schauplatz des historischen Ereignisses war die Sicherheitszone Nummer 5 in der entlegenen Gemeinde El Almendro, rund 280 Kilometer oder fünf mühsame Fahrstunden östlich von Managua. Über El Almendro weht die Fahne der Vereinten Nationen. Ein Bataillon venezolanischer Friedenstruppen hat hier seine Zelte aufgeschla gen. Die Organisation Amerikani scher Staaten ist über die Inter nationale Verifizierungskommission (CIAV), die die Waffen entgegennehmen soll, vertreten. Die weißen Jeeps mit den internationalen Emblemen flitzen beständig durch das verschlafene Dorf, das in zwanzig Jahren nicht soviel Verkehr erlebt hat, wie seit dem 19. April. Damals willigten die Contras erstmals in ihre eigene Demobilisierung ein, die bis 10. Juli abgeschlossen sein soll. Seit der Oberkommandierende, Franklin, letzten Freitag das Abkommen bestätigt hat, ist der Plan im Rollen. El Almendro, im Bezirk Nueva Guinea gelegen, wurde als Sicherheitszone für die Sammlung von über 2.000 Contras ausgesucht. Unter den konservativen Bauern, die das ehemalige Urwaldgebiet in den letzten dreißig Jahren kahlgerodet haben, fanden die Konterrevolutionäre traditionell Sympathie und Unterstützung. Die Rinderzüchter der Umgebung sind allerdings erleichtert, daß die herumziehenden Banden jetzt unter internationaler Kontrolle sind und verpflegt werden. Denn die hungrigen Truppen haben den Viehbestand drastisch reduziert.

Außer den Contra-Kommandanten Franklin und Leonel sowie dem CIAV-Vertreter Santiago Murray waren auf der improvisierten Plattform im Contra-Lager nur Nebenakteure vertreten. Die Staatschefin Violeta Chamorro weilte in Costa Rica, wo der neue Präsident Rafael Angel Calderon vereidigt wurde. Daher war die Regierung nur durch den Transportminister und den Vizeinnenminister repräsentiert. Auch Kardinal Obando mußte sich vertreten lassen, weil er den 10. Jahrestag einer mysteriösen Jungfrauenerscheinung zu begehen hatte. „Wir haben gezeigt, daß wir eine machtvolle Kraft sind“, schmetterte Franklin seinen Mannen entgegen. Die Organisation habe erfolgreich mehrere Demobilisierungsbeschlüsse überstanden, sie habe die Termine 8. Dezember, den Wahltag am 25. Februar und den Regierungswechsel am 25. April intakt überdauert. Das Ziel sei erreicht. Nicaragua habe endlich eine demokratische Regierung. Jetzt sei es an der Zeit, die Waffen schweigen zu lassen und für das Wohl des Landes zu arbeiten. Franklin mußte sich nach diesen Worten offensichtlich Erleichterung verschaffen: Er zog plötzlich seine Magnum 44 aus der Seitentasche und ballerte das Magazin leer.

Altersschwache Waffen

Zu den Leuten vom Bataillon Jorge Salazar gesellten sich noch zwei Dutzend von der sogenannten Zentralfront, deren Truppen sich ebenfalls in der 5. Sicherheitszone gesammelt hatten. Unter den von den Kommandanten ausgewählten „Freiwilligen“ hatte sicher jeder Zehnte das vierzehnte Lebensjahr noch nicht beendet. Einer nach dem anderen gaben sie vor einer Kommission der ONUCA die Waffen ab, fast alles altersschwache AK-47 (Kalaschnikow), aber auch den einen oder anderen Granatwerfer aus der Waffenschmiede Heckler & Koch. Name, Herkunft, Alter und Waffennummer jedes einzelnen wurde von spanischen Offizieren der ONUCA säuberlich registriert. Dann tauschten die ehemaligen Kämpfer ihre verdreckte Uniform gegen chinesische Bluejeans, ein Bauwollhemd und ein paar Gummistiefel. Die US amerikanischen Uniformstiefel durften sie außerdem behalten. Das für jeden Soldaten unentbehrliche Rückengepäck war im Lager geblieben. Auch Handgranaten, die zur Standardausrüstung der Contras zählen, wurden nicht abgegeben. Während die Gewehre von venezolanischen Soldaten mit Schneidbrennern unbrauchbar gemacht wurden, bekamen die Entwaffneten einen Lichtbildausweis, der sie als Demobilisierte identifizierte. Nach einer medizinischen Untersuchung inklusive Aids-Test gab es für jeden ein Lebensmittelpaket, das einen Monat reichen soll.

Obwohl vorgesehen ist, daß die Demobilisierten in ihre Heimatgemeinden zurückgebracht werden, wollen die meisten vorerst im Truppenverband bleiben. Die Contras werden in den dünnbesiedelten Regionen Rio San Juan und Nueva Guinea Land zugeteilt bekommen, wo sie samt ihren Familien Ackerbau betreiben können. Den Kommandanten ist daran gelegen, die Truppen zusammenzuhalten, um ihre Machtpositionen zu halten. Franklin träumt von einer politischen Partei, die, unzureichend übersetzt, Nationales Arbeitskonglomerat (Conglomerado Nacional Laboracionista) heißen soll. Vorerst wollen sie noch keinen Kandidaten für die Präsidentschaft aufbauen, meint Galeano in gekünstelter Bescheidenheit. Doch man sieht dem 29jährigen Bauernsohn aus dem Norden an, daß er von einer großen Zukunft träumt. Finanzierungszusagen von ein paar rechtsgerichteten Organisationen in den USA hat er schon in der Tasche.

Wie ernst es den Contras mit der Demobilisierung wirklich ist, wird man erst nach dem ersten symbolischen Akt erkennen können. In jeder der fünf Sicherheitszonen müßten täglich etwa hundert Mann ihre Waffen abgeben, damit der Endtermin 10.Juni eingehalten werden kann. Franklin hat schon angedeutet, daß man den Termin vielleicht hinausschieben muß. Denn er will einmal abwarten, wie die Versorgung und die Landzuteilung funktioniert. Von den einfachen Contras haben die wenigsten Schwierigkeiten, sich von ihrer Waffe zu trennen. Doch sie haben in den letzten Jahren Disziplin gelernt. „Natürlich würde ich gern bald zu meiner Familie zurückkehren“, verriet der 17jährige Luis Duarte, der seine Eltern vor sechs Jahren zuletzt gesehen hat, „doch ich warte noch auf den Befehl vom Comandante.“

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