: Der Verteilungskampf setzt unten an
■ Verhandlungen über Lastenverteilung der Kosten für die Einheit ohne die Kommunen / Die Städte sind sauer auf den Bund
Bonn (taz) - Finanzierungsmodelle für die deutsche Einheit sind erst einmal abstrakte Größen. Ausgabenkürzungen bei Kindertagesstätten und beim Wohnungsbau oder kräftige Erhöhungen bei der Müllabfuhr oder den städtischen Wasserwerke aber sind konkret und machen unmißverständlich klar, daß zur Kasse gebeten wird. Genau solche Auswirkungen der Vereinigung aber fürchten mittlerweile die bundesdeutschen Städte und Kommunen: „Aufgrund mancher pauschaler und generalisierender Äußerungen“ befürchten sie, „daß ihnen im Zuge der Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion mit der DDR eine finanzielle Belastung zugedacht wird, die ihre Kräfte und Möglichkeiten überschreitet.“ So hat es der Deutsche Städtetag nach einer Sondersitzung am 8. Mai ohne Verzierung formuliert. Der Verband mit dem Stuttgarter Oberbürgermeister Manfred Rommel (CDU) an der Spitze weiß, wovon er spricht. Ihm sitzen nämlich die Bürger dichter im Nacken als dem Bund in Bonn oder selbst den Länderregierungen in ihren jeweiligen Landeshauptstädten, die sich bislang weigern, die Kommunen an den Verhandlungen über die Verteilung der DDR-Lasten zu beteiligen. Bundesfinanzminister Waigel (CSU) meint, über die Köpfe der Kommunen hinweg beschließen zu können, daß die Fehlbeträge zu je einem Drittel von der DDR, vom Bund und von den Ländern zusammen mit den Gemeinden finanziert werden sollen.
Den Deutschen Städtetag empört nicht nur „das auf staatlicher Ebene etwas unterentwickelte Verständnis für kommunale Fragen“, wie es in einer Präsidiumsentschließung heißt. Auch die Unfähigkeit oder der Unwille, die Kommunen im Detail über die Größenordnung der Belastungen aufzuklären, belastet die Beziehungen zum Bund. Abgesehen davon, so Rommel am Montag im 'Handelsblatt‘, müssen alle Möglichkeiten der Finanzierung durchgeprüft und durchgerechnet, und es müßten die Ausgaben- und Aufgabenprioritäten neu überdacht werden. Mit anderen Worten: Die kategorische Ablehnung von Steuererhöhungen ist nach seiner Überzeugung angesichts der anstehenden Finanzierungsprobleme absurd. Rommel wollte deshalb am 8. Mai auch nicht ausschließen, daß zumindest die Gemeinden gezwungen sein könnten, ihrerseits - wenigstens zeitweise die Gewerbesteuern zu erhöhen. Geschickterweise überließe so der Bund ihnen den Schwarzen Peter.
Insbesondere nach dem Ausgang der Landtagswahlen vom Sonntag dürfte so manchen Kommunalpolitiker das Muffensausen heimgesucht haben. Wenn es zutrifft, daß die „Kostenfrage der deutschen Einheit für die Bundesbürger entscheidendes Gewicht“ hat, die unmittelbaren finanziellen Auswirkungen zunächst aber in der heimatlichen Gemeinde erfahren werden, wird hier der Verteilungskampf ansetzen.
Barbara Geier
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