: Kebabs jetzt auch in der DDR
■ Türkische Kleinunternehmer lassen sich auf dem gewinnversprechenden DDR-Markt nieder
Berlin (ap) - „Geht in den Osten, laßt euch dort nieder, sucht und nutzt eure Chance. Wenn ein Hotel angeboten wird, kauft es.“ So forderte der türkische Staatspräsident Turgut Özal vor einigen Wochen seine in der BRD lebenden Landsleute auf, in die DDR zu gehen. Sein Land werde sich nach Kräften am Aufbau Osteuropas „beteiligen und von dieser großen europäischen Öffnung profitieren“. Doch seine Landsleute wußten schon vorher, daß die Öffnung der Grenzen einen gewinnversprechenden Markt mit sich bringen würde. Schon kurz nach dem Fall der Mauer versuchten sie in der DDR Fuß zu fassen.
Eine der ersten war Belgin Karaca. Sie ließ sich Anfang Februar in Ost-Berlin nieder und bekam Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung. Die in West-Berlin aufgewachsene 22jährige kam direkt aus Istanbul, wo sie zuletzt vier Jahre als Dolmetscherin beim DDR-Handelsattache gearbeitet hatte. „Am Anfang habe ich nicht an das Geld gedacht“, erinnert sich Belgin Karaca. „Ich wollte einfach eine der ersten Türkinnen sein, die in der DDR Geschäfte machen.“ Kurz nach ihrer Ankunft gründete sie ihre Obst- und Gemüsehandelsfirma und eröffnete den ersten Stand auf dem Pankower Markt. Inzwischen besitzt Belgin Karaca vier weitere Marktstände und beschäftigt insgesamt sechs Mitarbeiter.
Der Obst- und Gemüsehändler Ali Yasmus aus dem Westberliner Bezirk Tempelhof lernte den Kollegen Lothar Moors aus dem anderen Teil der Stadt kennen und verwirklichte das erste „Türkisch-DDR-Joint-venture“. Der 43jährige brachte Geld und Know-how in die neue GmbH ein, sein Partner stellte den Laden im Berliner Bezirk Friedrichshain zur Verfügung. Die Behörden zeigten sich entgegenkommend. Die neuen Partner dürfen die Preise ihres exotischen Obst- und Gemüsesortiments selbst festlegen, und für die Einfuhr der Ware aus West-Berlin wird kein Zoll erhoben.
Das in Bonn ansässige „Zentrum für Türkei-Studien“ arbeitet an einer Untersuchung unter den in der Bundesrepublik lebenden Türken, um deren Interesse am DDR-Markt festzustellen. Der Leiter des Zentrums, Faruk Sen, sieht mittelfristig eine steigende Tendenz und erwartet nach der Währungsunion einen kleinen Boom. Vor allem würden dann die türkischen Importeure versuchen, ihre Ware in der DDR zu vermarkten.
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