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Kadabraklang und Technopokus

■ Musikmaschinen und Joe Jones in der Kunsthalle

Von einer Querstange hängen, an zuckenden Kabeln, kleine Zylinderstümpfe. Elektromotoren sind es, mit rotierenden Kopfstengeln dran, die auf Trommeln einklöppeln und in Glockenspielen fingern. Unten, ins Maschinarium eingeschraubt, sind die Instrumente, eine Laute noch und eine Zither, über deren Saiten hurtige Propellerchen wischen, kleine Becken daneben; drei Klöppel schlingern an ihren Kabeln, klicklucklack, über ein Xylophon.

Augen zu. Sumsemusik. Zirpen, Wispern wie von weltfremden Insekten, feingesponnener Lächelklang, glockige Singlaute ohne Ende, vom Maschinentakt der Trommelklöppel in Zeit zer

legt.

Augen auf. Zwischen zwei Gestellreihen schreitet, in zeremoniösem Hin und Her, Joe Jones. Weste über kariertem Hemd, hierhin bitte

das Bild mit dem

Rahmen um das Tambourine Music in Kit '81

Jeans, drin steckt ganz verschwunden der Schlottermann, auf Stöckerbeinen. Schiebermütze verbirgt die Augen, beidseits hängt dünner Flachs herab. Jones, aufgewachsen in Brooklyn, gewesener Franziskanermönch, nun Fluxuskünstler, wohnhaft in Düsseldorf. Erstes Konzert der Reihe „Music in art“, veranstaltet von Radio Bremen und der Kunsthalle, am vergange hierhin bitte das Bild

mit dem Rahmen und

dem Xylophon

Frame piece with Xylophone, '77

nen Mittwoch dortselbst.

Ein Notenständer neben dem anderen, darüber Lampen aufgereiht, eine Kette von Lichtkegeln. Sie bescheinen, statt Noten, schwarze Solarzellenplatten. Plattituren also, die das wunderliche Solarorchester, über feine Kabel, mit Spiellaune speisen. Von einem zum andern Ständer schiebt sich langsam, mechanisch, bemessen Joe Jones in seiner Werkeltagskluft, ein weiheberäucherter Arbeiter-Priester, und nimmt mit Streifen durchscheinenden Papiers den Lichteinfall zurück und damit auch den Strom.

Eine Stunde lang legt er, hin, her, Streifen auf Streifen. Wir hören bald eine Kostbarkeit, nämlich die Stille wachsen wie Gras.

Jones‘ verzwickt getüftelte Kleinchen sind dem Papa wie aus der Klappergestalt geschnitten: zartdrahtig, gestakst und von einer gefährdeten Eleganz. Sie spielen, weil einsam und menschverlassen, mit sich selbst, die Musikmaschinen, und sind dennoch viel gesprächiger als die verwandten Drehorgeln mit ihrem asthmatischen Geschnaufe. Und verglichen mit Jean Tinguelys, des berühmteren Maschinisten großmächtigen Krachschlägern, verglichen damit rühren uns diese Simplicissimi, wie sie torkeln und klimpern und uns ohne Unterlaß akustische Aphorismen erzählen über gar nichts.

Jones, der Ausgezehrte, spielt uns einen Theaterzauber vor: Askese verwandelt die Welt in ein Spiel. Er spielt uns den Magier, dessen Andacht die sturdumme Mechanik beseelt, als wäre sie eine zweite Natur. So klein hat er sich und uns die Technik gemacht, so minimal und pingelig, daß nicht mehr sie uns Angst macht, sondern wir sie behüten, die ver

letzliche, die pflanzenhafte. Wie verzauberte Natur sehen die Maschinchen aus, wie in Metaphysik verwandelte Organismen. Und der Mensch Jones ist der Trickser, der mit ein bißchen Naturmystik den berühmt gewordenen Einklang hervorruft.

Wie er da sanftmütig mit seinen zahllosen Papierstreifen hantiert und rituell den Strom abblendet, wo es ein schlichter Regelschalter auch täte, da ist diese verschmitzte Hinterhältigkeit im Spiel, in der ehemalige Meßdiener wie ich auf der Stelle das Wesen des Religiösen erkennen.

scha

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