Alles andere als ein Forum

■ Vorläufige Randnotizen zum „2.Medienforum NRW“ in Köln

Nach drei Tagen geht heute das „2.Medienforum Nordrhein -Westfalen“ zu Ende. Wie so oft in diesen Tagen wurde auch hier die künftige Medienlandschaft in einem vereinten Deutschland beraten. Die vorläufigen Notizen zu diesem Forum geben einen ersten Eindruck, eine eingehende Würdigung wird folgen.

Es ist fast wie eine Schußfahrt durchs Knipserparadies. Nur daß niemand auf die Taste der Fernbedienung tippt, wenn er im nächsten Programm landen will, sondern über die langgezogenen Flure von Podium zu Podium hasten muß. Kaum zu glauben, aber tatsächlich ist das „2.Medienforum Nordhrein -Westfalen“ in vier Kongreßteile mit elf Arbeitskreisen und vier Gesprächsgruppen diffundiert, ohne den eigenen Wasserkopf zum Platzen zu bringen, und trotzdem hat der Veranstalter es einrichten können, daß überall das gleiche Programm läuft.

Wiederholungen, wie wir sie aus dem Fernsehen kennen und lieben. Zum Beispiel der Arbeitskreis „Journalisten in beiden deutschen Staaten - Selbstverständnis, Arbeitsbedingungen, Abhängigkeiten“. Selbstzweifel und halbherzige, aber deshalb so herzhaft komische Selbstbezichtigungen mit gleichzeitiger Freisprechung auf DDR-Seite, väterliche und Zurückhaltung predigende Esers und Pleitgens als bundesrepublikanische Besserwisser -Verweigerer.

Oder die Filmemacher: Vorsicht, Freiwildgehege! Auch ältere Exemplare können auch nach 15 Jahren Filmförderung immer noch bissig sein und sich in bekannten Positionen festbeißen. Bei lebendigem Leibe im eigenen Saft schmoren: Das mache mal jemand der bundesdeutschen Filmwirtschaft nach.

Die amerikanische Invasion: US-amerikanische Kinomultis traumfabrizieren ganz nüchtern. Von zehn Filmen sind die Hälfte ein Flop, vier schrammen so eben an der Rentabilitätsgrenze vorbei, nur einer spielt das Traumergebnis ein, mit dem sich der Ausschuß von neun Filmen tragen läßt.

Die deutschen Medienexperten hingegen veranstalten zehn Kongresse und fragen sich daselbst, woran es liegen mag, daß in der Bundesrepublik weder die Adaption des amerikanischen Modells noch eine europäische Variante funktioniert, während amerikanische Filme die Kassen füllen. Der elfte Kongreß findet gerade statt. Mehr ist nicht zu sagen.

Symptome. Der WDR geht mit seinen Koproduktion hausieren. Plakatwände brüllen plakativ die Botschaft heraus: Seht her, das haben wir schon alles gemacht mit Ihren Fernsehgebühren. Was sie gemacht haben? Die verlorene Ehre der Katharina Blum, 1975. Das Boot, 1981. Jede Menge Kohle, 1981. Eine Liebe von Swann, 1983. Zur Erinnerung. Das Medienforum findet 1990 statt. Vielleicht sind dem WDR ja nur die Druckkosten für neue Plakate zu hoch gewesen.

Der Name Medienforum suggeriert Öffnung, jenen altrömischen Marktplatz, der Gerichtsstätte war und Ort für Volksversammlungen - also Ausdruck von Öffentlichkeit. Der Schauplatz dieses Medienforums ist alles andere als das, mehr Bunker als Stätte des angeregten Diskurses. In dunklen, mit künstlichem Licht durchfluteten und verrauchten Kellern hocken die Medienexperten. Sie haben sich die Räume nicht ausgesucht, aber sie wehren sich auch nicht gegen das Eingesperrtsein.

Der deutsch-amerikanische Kunstprofessor Otto K.Werckmeister hat für dieses Verhalten den schönen Begriff der Zitadellenkultur geprägt. Ein Zitat, weil es so gut paßt: „In der Zitadellenkultur gibt es keine Fronten mehr, sondern nur noch konkurrierende Angebote. Ihre bunte Vielfalt bewährt sich in der Fähigkeit, einander widersprechende Phänomene nebeneinanderzustellen.“

Das Kölner Hotel Maritim ist Zitadelle, Trutzburg und Elfenbeinturm zugleich . Wer sich am livrierten Portier vorbeitraut, muß 150 DM Tagungsgebühr entrichten. So etwas nennt sich demokratische Öffentlichkeit.

Der öffentlichste Ort vor Ort ist die Toilette. Hier kann jeder, wie er kann, und plaudert gern. Vor allem darüber, wie oft er sich das Geschwätz eines bestimmten Kollegen im genau gleichen Wortlaut schon anhören mußte. Sprach es und begab sich zurück in die Versammlung, um dem angesprochenen Kollegen Platz zu machen, der in der besinnlichen Sekunde am Pinkelbecken nur Ähnliches über seinen Vorgänger verkündet.

Soviel habe ich jetzt begriffen. Wenn ein gewöhnlicher Zuschauer Fernsehen sieht, geht er ins Wohnzimmer, lümmelt sich auf die Couch und knipst den Kasten an.

Einen Medienexperten, Marke kritisch, kostet der Blick in die Röhre Schweißausbrüche. Er hält zunächst einen inneren Monolog über die schleichende Amerikanisierung der Kultur, bezwingt widerwillig sein politisches Gewissen und schaltet dann die Glotze ein, natürlich nur, um die Sehgewohnheiten der normalen Bürger zu analysieren - und guckt dann DallasDenverDallAs.

Die Hoffnung auf Änderung dieses Zustandes ist ungefähr so utopisch wie die goldene Hochzeit des Papstes.

Christof Boy