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ABSCHAFFUNG DER TODESSTRAFE IN DEN USA

■ Rettet das Leben von Mumia Abu-Jamal! Freiheit für Mumia und alle politischen Gefangenen in den USA!

Am 3. Juli 1982 wurde Mumia Abu-Jamal, ein US-amerikanischer Journalist und ehemaliger Black Panther, wegen angeblichen Polizistenmordes in Philadelphia zum Tode verurteilt. Zum achten Jahrestag des Urteils haben UnterstützerInnen in den USA und Westeuropa zu einer internationalen Solidaritätskampagne aufgerufen, um die Aufhebung des Todesurteils gegen Mumia und seine Freilassung zu erreichen.

Mumia Abu-Jamal ist zur Zeit der einzige von über 150 politischen Gefangenen in den USA, dessen Leben akut von der Hinrichtung bedroht ist. Sein Fall ist beispielhaft für die Verfolgung einer ganzen Generation militanter schwarzer Frauen und Männer aus dem Widerstand der siebziger Jahre in den USA sowie für die „rassistische und diskriminierende Anwendung der Todesstrafe in den USA“ (amnesty international, Jahresbericht 1989). 40 Prozent der 2.200 TodeskandidatInnen in den US-Knästen sind schwarze US -AmerikanerInnen.

Mumia war schon als Jugendlicher politisch aktiv und wurde mit 16 Jahren „Informationsminister“ der Black Panther in Philadelphia. Nach der Zerschlagung des schwarzen Widerstandes durch FBI-Morde an führenden Mitgliedern der Panther und massenhaften Verhaftungen und Gerichtsverfahren gegen schwarze AktivistInnen, wurde Mumia zu einem bekannten Journalisten für schwarze Radiostationen und Zeitungen. Die bürgerliche Presse bezeichnete ihn als die „Stimme der Entrechteten“, und 1980 wurde er zum Präsidenten der schwarzen Journalistenvereinigung in Philadelphia gewählt. Zu diesem Zeitpunkt war Mumia bereits wegen seiner kritischen und unbequemen Berichterstattung zur Zielscheibe des FBI-Aufstandsbekämpfungsprogramms geworden. Nach einem Polizeiangriff auf ein Haus in Philadelphia, das von Mitgliedern der schwarzen Organisation MOVE besetzt worden war, hatte Mumia nicht nur die offizielle Polizeiversion wiedergegeben. Seine anschließende Berichterstattung über den Schauprozeß gegen MOVE1, in dem zehn MOVE-Frauen und -Männer wegen angeblich „gemeinschaftlichen Polizistenmordes“ zu 30 bis 100 Jahren Gefängnis verurteilt wurden, bezeichnete der damalige weiße Bürgermeister von Philadelphia, Frank Rizzo, als „neue Ausgeburt des Journalismus, die um jeden Preis vernichtet werden muß“.

Die Gelegenheit dazu ergab sich ein halbes Jahr später, als Mumia bei einer willkürlichen Polizeirazzia gegen Schwarze die Verhaftung seines Bruders verhindern wollte. Bei der folgenden Auseinandersetzung wurde Mumia durch einen Bauchschuß lebensgefährlich verletzt, und ein Polizist wurde - wahrscheinlich durch einen Schuß eines Kollegen getötet.

Nachdem die Polizisten Mumias Identität festgestellt hatten, stand für sie fest, daß nur er für den Tod des Polizisten verantwortlich sein konnte. Der Prozeß gegen Mumia war eine Farce, von der er selbst die meiste Zeit ausgeschlossen wurde. Mumias Wahlverteidiger wurde vom Gericht abgelehnt, EntlastungszeugInnen wurden eingeschüchtert, und am Ende reichte dem Richter und den elf weißen Geschworenen Mumias politische Überzeugung und seine Mitgliedschaft bei den Black Panthers aus, um ihn als „potentiellen Polizistenmörder, der nur auf eine Gelegenheit zum Mord gewartet hat“ (O-Ton Staatsanwalt), zum Tode zu verurteilen. Obwohl bis heute keine stichhaltigen Beweise gegen Mumia vorliegen, wurden alle Anträge seiner AnwältInnen auf einen neuen Prozeß zurückgewiesen. Zuletzt bestätigte das Oberste Gericht von Pennsylvania im Januar 1990 das Todesurteil gegen Mumia und schloß gleichzeitig eine Wiederaufnahme des Verfahrens aus.

Mumia wird zur Zeit im Todestrakt des Hochsicherheitsknasts von Huntingdon, Pennsylvania, unter Isolationshaftbedingungen festgehalten. Er ist 22 Stunden am Tag in seiner Zelle eingeschlossen, und der zweistündige Hofgang findet in einem speziellen Gitterkäfig statt. Anwaltsbesuche und Besuche von Familienangehörigen, die auf zwei Stunden im Monat beschränkt sind, sind nur mit Trennscheibe möglich. Trotzdem wird Mumia bei diesen Besuchen an Händen und Füßen gefesselt. Zusätzlich zu den Isohaftbedingungen versucht die Gefängnisleitung seit drei Jahren, Mumia durch Disziplinarstrafen dazu zu zwingen, seine Haare abzuschneiden, um seine Identität als African American zu brechen. Er darf nur religiöse und juristische Bücher erhalten, sein Radio und Fernseher wurden ihm weggenmmen und die zwei zehnminütigen Telefongespräche im Monat mit seiner Familie wurden gestrichen.

Aufgrund der ständigen Mißhandlungen der Gefangenen im Hochsicherheitsknast von Huntingdon durch weiße Schließer, die Mitglieder des faschistischen Ku-Klux-Klan (KKK) sind, kam es dort im Oktober 1989 zu einer Knastrevolte, an der sich fast alle der 1.700 Gefangenen beteiligten. Der Aufstand griff ziemlich schnell auf drei weitere Knäste in Pennsylvania über, in denen sich - wie überall in den USA die Haftbedingungen aufgrund der Repressionen und Überbelegung kontinuierlich verschlechtern. Der Aufstand wurde brutal niedergeschlagen. Mumia schrieb danach: „Die bewaffneten Überfallkommandos gingen von einer Zelle zur nächsten und schlugen, zerrten, fesselten, knüppelten und mißhandelten nackte, schlafende Gefangene. Den Männern wurden Handschellen angelegt, sie wurden geschnappt, nach draußen gezerrt und in Käfige geworfen - nackt, geschlagen und blutig.“

Am nächsten Morgen gaben inoffizielle Berichte die Zahl der Verletzten mit 19 Gefangenen und 27 Schließern an. Darüber hinaus ist der A-Block in Trümmern und der Einschluß geht weiter. Diese Repression ist nichts neues, es ist alles beim alten geblieben.

Mumia ist trotz der Isohaft weiterhin politisch aktiv. Während des Hungerstreiks der Gefangenen aus RAF und Widerstand in der BRD und des Hungerstreiks der politischen Gefangenen in Südafrika im Frühjahr 1989, beteiligte er sich an einem Solidaritätsstreik von über 600 sozialen und politischen Gefangenen in den USA. Darüber hinaus schreibt er regelmäßig Artikel für verschiedene schwarze Zeitungen in den USA.

Nach dem Urteil des Obersten Gerichts in Pennsylvania vom Januar dieses Jahres, bleibt Mumia nur noch eine weitere Berufungsinstanz auf Bundesebene, um seine Hinrichtung zu verhindern. Aufgrund der Rechtslage in den USA, kann der Gouverneur von Pennsylvania, Robert Casey, jedoch schon vorher den Befehl zur Hinrichtung von Mumia unterzeichnen. Andererseits steht es auch im Ermessen des Gouveneurs, die Todesstrafe gegen Mumia aufzuheben und in eine Haftstrafe umzuwandeln sowie einen neuen Prozeß anzuordnen. Deshalb richtet sich die Öffentlichkeitskampagne in den USA und Westeuropa zur Zeit vor allem an den Gouverneur mit der Forderung, das Todesurteil aufzuheben und Mumia freizulassen.

Nachdem im letzten Jahr die Öffentlichkeit und Solidarität für Mumia zugenommen hat und mehrere Zeitungen über seinen Fall berichtet haben, versucht die Knastleitung jetzt, jegliche Öffentlichkeit zu seiner Situation zu verhindern. Seit Anfang dieses Jahres erhalten JournalistInnen keine Erlaubnis mehr, Interviews mit Mumia zu führen und seine Post wird oft wochenlang angehalten.

Die geplante Hinrichtung von Mumia steht in einer langen Tradition von politischen Morden und Hinrichtungen in den USA; Lynchmorde an schwarzen Männern in den Südstaaten, die Hinrichtung der italienischen Anarchisten Sacco und Vanzetti 1927, die Hinrichtung der angeblichen „Spione“ Ethel und Julius Rosenberg 1953 und die FBI-Morde an AktivistInnen aus dem schwarzen, indianischen und puertoricanischen Widerstand in den sechziger und siebziger Jahren sind dafür nur einige Beispiele. Allein seit Beginn dieses Jahres sind in den USA trotz weltweiter Proteste vier Todesurteile gegen Gefangene vollstreckt worden, und weitere Hinrichtungen sind geplant. Immer dann, wenn die weißen Herrschenden in den USA ihre Macht gefährdet sehen, greifen sie zum staatlich sanktionierten Mord, um Widerstand zu ersticken.

Mumia ist einer von denen, die für Veränderungen und soziale Gerechtigkeit kämpfen und auch im Knast weiterkämpfen. Ein erster Schritt muß jetzt sein, die Aufhebung seines Todesurteils zu erreichen, um dann seine Freilassung durchzusetzen.

Nur eine breite, internationale Mobilisierung kann seine Hinrichtung verhindern. Deshalb soll es in der Woche vom 2. bis 8. Juli 1990 eine massive Telegramm- und Briefkampagne an den Gouveneur von Pennsylvania mit diesen Forderungen geben. Darüber hinaus ist es wichtig, daß Mumia selbst viel Post bekommt, um seine Isolation zu durchbrechen. In der BRD wird es eine Kampagnenzeitung mit Infos zu Mumia und der Situation anderer politischer Gefangener in den USA geben.

Weitere Infos und die Kampagnen-Zeitung können angefordert werden bei: AGIPA-Press, Eichenberger Straße 53, 2800 Bremen 1,

Telefon 0421-354029

Mumias Adresse: Mumia Abu-Jamal, M-8335, Drawer R, Huntingdon, PA 16652, USA

Telegramme und Briefe an: Gouverneur Robert Casey, Main Capitol Building, Room 225, Harrisburg, PA 17120, USA, und die Botschaft der Vereinigten Staaten von Amerika, Deichmanns Aue 2, 5300 Bonn 1, Telefon 0228-399-1

Literaturhinweise: Comrade George und Attica: Geschichte ist eine Waffe, Bd. 1: Der Mord an George Jackson und die schwarze Gefangenenbewegung in den USA. 280 Seiten, 19,80 DM, ISBN 3-92&529-00-8.

Assata Shakur: Eine Autobiografie aus dem Schwarzen Widerstand in den USA. 360 Seiten, erscheint Ende Juni, Preis 29,80 DM, ISBN 3-926529-02-4

Beide Bücher sind über AGIPA-Press zu beziehen.

1) Die staatliche Verfolgung von MOVE verstärkte sich in den folgenden Jahren. 1985 wurde ein Wohnhaus von MOVE in Philadelphia durch die Nationalgarde nach einer zweitägigen Belagerung mit Phosphorbomben aus der Luft bombardiert. Elf Menschen, darunter fünf Kinder, kamen dabei ums Leben, und das Feuer zerstörte darüber hinaus einen ganzen Häuserblock in der Nachbarschaft. Die einzige Erwachsene, die den Angriff überlebte, Ramona Africa, wurde wegen „Verschwörung zum Widerstand“ zu zehn bis 30 Jahren Knast verurteilt und kämpft seit Jahren um ihre Freilassung.

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