„Gesundheitswesen bricht nicht zusammen“

■ Ostberliner Gesundheitsstadtrat Zippel will die Krankenpflege aufwerten / Stadtrat hat weiterhin „ständig“ Angst, daß Schwestern abwandern / Eklatanter Mangel an Blutkonserven / Kreuzberger Marienkrankenhaus wichtig für Treptow?

Ost-Berlin. Mit 40 Millionen Mark steht die Magistratsverwaltung für Gesundheit auf einem finanziellen Grundsockel, wie ihn kein anderer Bereich im Magistrat zur Verfügung hat. Das Geld stammt laut Finanzstadtrat Fritsche (SPD) aus dem ehemaligen Vermögen der PDS und Gesundheitsstadtrat Christian Zippel (CDU) kann es nach seinen Vorstellungen investieren. Der 47jährige Arzt leitet seit 1981 die Klinik für Innere Medizin und Rehabilitation in Buch und ist seit dem 30. Mai Gesundheitsstadtrat im Magistrat.

taz: Besteht die Gefahr, daß das Ostberliner Gesundheitswesen zusammenbricht?

Zippel: Wir stehen vor dem Riesenproblem, unter Umständen Operationen absagen zu müssen, weil es nicht genügend Blutspenden gibt. Auch die Notfallversorgung ist dadurch hier und da gefährdet. Der Mangel an Blutkonserven in West -Berlin ist ebenfalls groß. Aber: Zusammenbrechen wird das Gesundheitswesen nicht.

Sie sind als Vertreter einer ehemaligen Blockpartei im Amt des Gesundheitsstadtrates, seit 1970 CDU-Mitglied. Warum haben Sie sich vor der Wende nicht öffentlich bemerkbar gemacht?

Ich bekenne mich dazu, daß ich in diese Partei hineingegangen bin, um die geringen politischen Möglichkeiten, die man in dem alten System hatte, auf diese Art und Weise zu nutzen. Und ich habe mich sehr wohl schon früher gemeldet: Ich habe zum Beispiel als ein in der Gesellschaft für Krankenpflege Aktiver - ich habe die Gesellschaft mitgegründet - bei einer Ministeriumskonferenz bereits weit vor der Wende all die Punkte vorweggenommen, die später gesundheitspolitisch unter den nachrevolutionären Zeiten umgesetzt wurden: Einführung von Zivildienst, Berufung von Chefärzten nach Kompetenz und nicht nach Parteibuch, völlig veränderte Strukturen. Ich habe in meiner Klinik keine Pflichtübungen eingeführt, dort galt für mich nur die fachliche Arbeit und das fachliche Verhalten.

Was wollen Sie im Vergleich zur Gesundheitspolitik der ehemaligen SED verändern?

Das erste ist, daß einfach dem Gesundheits- und Sozialwesen ein weitaus höherer Stellenwert zugemessen werden muß als im SED-Regime. Der zweite Punkt ist, daß wir die Strukturen des Gesundheitswesens bürgernah verändern wollen, mit den Patienten und den Beschäftigten.

Der dritte Punkt ist, daß wir die Kommandowirtschaft in keiner Weise fortführen wollen. Wenn es um die Planung von Krankenhausbauten geht, sollen diese Bauten nicht danach ausgerichtet werden, wie es technisch möglich ist, sondern danach, wie die Betreuung gebäudemäßig in der besten Form zu gestalten ist.

Sie wollen, um die stationäre Versorgung zu verbessern, den Weiterbau des Krankenhauses in Marzahn und die Sanierung des Klinikums Buch vorantreiben. Was wollen Sie tun, um die stationäre Versorgung im Pflegebereich zu verbessern?

Ich war im Auftrag des Runden Tisches der Arbeitsgruppenleiter für die Arbeitsgruppe Krankenpflege. Wir haben ein 24-Punkte-Programm entwickelt, das ich versuche, mit Hilfe meiner jetzigen Funktion auch umzusetzen.

In welche Richtung zielt der 24-Punkte-Plan?

Sie müssen einfach dem Krankenpflegeberuf wieder den sozialen Stellenwert in der Gesellschaft geben, der ihm gebührt. Ich werde mich darum bemühen, daß eine angemessene Bezahlung herauskommt, daß die unterstützenden Maßnahmen für die schichtdiensttuenden Schwestern erheblich verbessert werden, daß auch die Möglichkeit flexibler Stellenpläne geschaffen wird. Zur Verfügung stehender Wohnraum wird eine ganz wichtige Maßnahme sein, unter Umständen auch mit Vorzugsmieten, die aber nur solange gelten, wie man im Pflegeberuf tätig ist.

Wie wollen Sie bessere Bezahlung durchsetzen? Selbst bei der Angleichung an die BRD ist die Bezahlung an Tarifverträge gebunden und auch in der BRD liegen die Löhne für Pflegekräfte relativ niedrig.

Das ist ein Punkt, der mich auch in der BRD erheblich stört, das ist nicht auf die DDR begrenzt. Aber auch die BRD wird nicht umhin kommen, diesen Beruf unter anderem über die finanzielle Schiene aufwerten zu müssen. Die Schwestern, vorrangig die Schichtschwestern, werden bei uns eigentlich schon sehr gut bezahlt, aber über Bezahlung allein läßt es sich auch nicht machen. Dazu gehört auch, daß man Arbeitsbedingungen schafft, wo die Schwester wirklich ihrer pflegerischen Aufgabe besser gerecht werden kann und sich nicht darum kümmern muß, wie sie die Wäsche wegbringen und die Post holen kann, oder etwa für die Essensversorgung abgestellt ist.

Haben Sie die Befürchtung, daß nach dem 1. Juli wieder verstärkt Pflegekräfte in den Westen gehen?

Ich habe ständig die Befürchtung, daß Schwestern weggehen. Deshalb ist es besonders notwendig, daß wir in einem Gesamtberliner Rahmen zu einer Lösung kommen. Ich will hier ein eigenes Referat „Krankenpflege“ einrichten, bislang gab es so etwas in diesem Amt noch nicht.

Im Bezirk Kreuzberg, in SO 36, steht das Marienkrankenhaus, das demnächst aufgelöst werden soll. Könnte diese Klinik nicht wichtig werden für den Bezirk Treptow?

Das Krankenhaus Hedwigshöhe reicht für die Versorgung der Treptower Bevölkerung sicher nicht aus. Das von Ihnen genannte Marienkrankenhaus wird sicherlich in seiner Bedeutung im Rahmen eines Gesamtberliner Landeskrankenhausplanes hineingenommen werden. Wenn die Expertise aus Ost und West ergibt, daß sich für dieses Krankenhaus eine neue Chance ergibt, wären wir schlecht beraten, diese Chance nicht zu nutzen.

Wie sollte sich das Berliner Gesundheitswesen nach Ihren Vorstellungen in den nächsten drei Jahren entwickeln?

Ich habe die Hoffnung, daß den Bürgern in Berlin ein ambulantes und stationäres Betreuungs- und Behandlungsangebot - auf verschiedenen Strecken: Prävention, Therapie, Rehabilitation - zur Verfügung steht. Damit das Gefühl vermittelt wird, auf diesem Gebiet gut versorgt zu sein und auch eine gewisse Wahlmöglichkeit zu haben.

Interview: Martina Habersetzer