Ein Schiff wird kommen...

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(Unter deutschen Dächern: Die Seemannsfrauen, Do., 14.6., ARD, 20.15 Uhr) Die Reinemachefirma Persil lieferte im Kabelkanal den passenden Werbespot: Ein schmucker Seeoffizier kehrt nach vierwöchiger großer Fahrt, so der Sprechtext, heim in die jubelnd emporgerissenen Arme der Familie - und Mutter widmet sich unverzüglich der Wäsche beziehungsweise dem Schmutz der großen weiten Welt.

Die Klischees sind noch lange nicht ausgestorben; davon konnten auch die Seemannsfrauen in Ursula Jeshels Filmbericht ein Shanty singen. Von ihrer Umgebung werden sie mit Mißtrauen betrachtet, eingeordnet entweder als Schifferliebchen oder Kapitänsgattin. Romantische Vorstellungen von Offizieren und Kapitänen mit blütenweißen Operettenuniformen sind dank Traumschiff und Love Boat noch immer weit verbreitet. Das gleiche Medium gab sich immerhin redliche Mühe, vom Alltag der Seemannsfrauen zu berichten, der mehr noch als in anderen Ehen vom Arbeitsrhythmus der Ehegatten bestimmt wird. Nur alle paar Monate kommen die seefahrenden Familienväter einmal heim und können kurzfristig wieder abberufen werden. Darum fahren viele Frauen ihnen entgegen in erreichbare Häfen, reisen auch schon mal eine kurze Strecke mit, wenn es sich einrichten läßt. Diese Mobilität, eine Frau sagt es mit ergebener Stimme, wird seitens der Männer auch erwartet. Nicht nur der Fahrplan der Reederei färbt ab auf das Familienleben und beschäftigt die Frauen. Als Folge der Einrichtung des Zweitregisters ist manch ein Offizier der einzige Deutsche an Bord, denn nur das Führungspersonal muß nach den Bestimmungen des zweiten Registers aus dem Herkunftsland des Schiffes stammen. Der Rest der Mannschaft wird in Billiglohnländern rekrutiert. Die Folgen dieser Vereinzelung liegen auf der Hand: Die Männer haben daheim Probleme, zu kommunizieren und sich zu artikulieren; nachweislich steigt der Drogen- und Alkoholkonsum unter Seeleuten ebenso wie die Selbstmordrate, von der Gefährdung bei Unfällen ganz zu schweigen. Aber nicht die über die Weltmeere verteilten Männer sind es, die dagegen angehen, sondern ihre mit Familien- und mitunter auch Geldsorgen ohnehin geplagten Frauen: Sie haben einen Selbsthilfeverband gegründet, in dem deutsche und auch niederländische Seemannsfrauen organisiert sind, die Ausweitung auf England, Belgien und andere Länder ist geplant. Die hohe Arbeitslosigkeit unter einfachen Seeleuten zwingt allerdings zu diplomatischer Vorgehensweise: Zu forsches Auftreten wird mit Entlassung des Gatten geahndet.

Trotz all dieser Widrigkeiten sagen viele Frauen am Schluß der Sendung, daß sie mit niemandem tauschen möchten. Der harte Lebenskampf, der manchen ZuschauerInnen vor dem Bildschirm exotisch erscheinen mag, hat aus ihnen couragierte, engagierte und vielseitig interessierte Frauen gemacht. Viele von ihnen, so wird berichtet, haben im Laufe der Jahre mehr Selbstbewußtsein entwickelt und dieses Gefühl zu schätzen gelernt. Lethargie oder Selbstmitleid jedenfalls war diesen Frauen so fremd wie die Welt des Traumschiffs.

Herr Dittmeyer