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Sieg des Kapitalismus?

Zum Optimismus des Kapitals und dem Pessimismus der Linken  ■ K O M M E N T A R

Der Kontrast könnte kaum größer sein. Während im Hamburger Congreß-Centrum Big Business den Anbruch eines goldenen Zeitalters feiert, der nur noch ein bißchen Umweltärger, südliche Armut und Staatsbüroraktismus im Wege stehen, malen die gealterten deutschen Linken angesichts des von ihnen diagnostizierten „Sieges des Kapitalismus“ das Bild einer Welt, die unaufhaltsam auf Elend und Ende zusteuert. Die passende Begleitmusik zu dieser Weltsicht liefert ein kleiner Haufen Hamburger Streetfighter, die dem Treffen des großen Kapitals mit erfolglosen Blockaden und Motorradjaulen Widerstand zu leisten glaubt.

„Es ist kennzeichnend für neue Zeitalter, daß alte Konzepte und Denkstrukturen noch fortbestehen, wenn auch deren Grundlagen im gesellschaftlichen und politischen Ordnungssystem längst zusammengebrochen sind.“ Selbstkritisch formuliert Ost-Händler Otto Wolff von Amerongen die Probleme auch des Kapitals, sich in der neuen Welt zurechtzufinden. Denn nicht nur die westdeutsche Linke, auch das Pentagon und die imperialen Strategen der US-Macht jammern. Beide sehnen sich, so scheint's, nach der Wiederauferstehung der Mauer. Dabei: Der Zusammenbruch nationaler Grenzen, weltweite Abrüstung, das Vordringen multikultureller Elemente in allen Gesellschaften - ist dies nicht genau das, wofür die Linke nicht erst seit 1968 kämpft?!

Es ist schon unglaublich: Daß Armut, Repression, Ausbeutung, Militarismus und Umweltzerstörung nicht besondere Markenzeichen des Kapitalismus sind, sondern bislang jede Form industrieller Produktion und Massenkonsums, Umweltzerstörung und soziales Elend mit sich bringt (wobei die osteuropäische Variante ein Minimum an Wohlstand mit einem Maximum an Umwelt- und Gesundheitszerstörung verband) - dies wird von großen Teilen der Linken massiv verdrängt. Sicherlich: die Voraussetzungen für eine Politik, die für eine radikale Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse, für mehr Demokratie und Emanzipation, für Umweltschutz und Konsumbegrenzung eintritt, sie haben sich fraglos radikal geändert. Sind ihre Chancen und Perspektiven deshalb schlechter geworden? Ist es nicht ein Gewinn, zu erkennen, daß weder die Maschinengewehre der Sandinisten noch die preußischen SED -Kombinate den Weg ins Paradies weisen? Daß Alternativbetriebe nicht automatisch gute Menschen hervorbringen und der herrschaftsfreie Diskurs noch lange keine Vernunft? Während sich das Kapital strategisch erneuert, das eigene Denken revolutioniert, verharrt die Linke in überholten Denkschablonen. Angesichts einer sich atemberaubend wandelnden Welt ist dies die eigentliche Tragödie.

Florian Marten

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