: Falschparken und Kriegswaffen-Export
■ Wird der Verkauf der U-Boot-Pläne an Südafrika als Ordnungswidrigkeit geahndet?
Der U-Boot-Skandal ist um eine neue Facette reicher. Das Landgericht Kiel kommt in einem streng geheimen Beschluß zu der Auffassung, die illegale Lieferung von Konstruktionsplänen für den U-Boot-Bau an Südafrika sei mitnichten eine Straftat, sondern lediglich eine Ordnungswidrigkeit. Zwar stellt das Provinzgericht fest, daß die Firmen Howaldtswerke Deutsche Werft AG (HDW) und Ingenieurkontor Lübeck (IKL) noch anderthalb Jahre länger militärisches Know-how an den Apartheid-Staat geliefert haben als bisher angenommen worden war. Die skandalöse Empfehlung lautet dennoch: Rückgabe der Ermittlungen an die Oberfinanzdirektion (OFD) Kiel, die im Januar 1988 auf Weisung von Minister Gerhard Stoltenberg das Verfahren bereits einmal mit Freispruch beendete.
Damals war die OFD zu der phantastischen Rechtsauffassung gekommen, die an Südafrika ausgehändigten 95 Prozent der U -Boot-Pläne seien angeblich nicht genehmigungspflichtig gewesen. Die Staatsanwaltschaft Kiel, der jetzt das Verfahren entzogen werden soll, ermittelt seit geraumer Zeit gegen Oberfinanzpräsident Svend-Olaf Hansen, weil der Verdacht besteht, daß die OFD damals gezielt das Recht gebeugt hat. Derselbe OFD-Präsident soll jetzt, als sei nichts gewesen und als stünde seine Befangenheit nicht zweifelsfrei fest, erneut über das illegale U-Boot-Geschäft befinden. Das Ergebnis steht schon jetzt fest: Auch wenn HDW und IKL inzwischen die noch fehlenden fünf Prozent der Pläne an Südafrika geliefert haben sollten, wäre das in den Augen der Kieler Oberfinanzdirektion nicht schlimmer als das Falschparken eines Autos. Der eklatante Verstoß gegen das UNO-Rüstungsembargo der Vereinten Nationen gegen Südafrika würde - wenn überhaupt - mit einer geringen Geldbuße belegt. Das Risiko für Nachahmungstäter wäre in Zukunft gleich Null. Wenn sich die Kieler Staatsanwaltschaft vom Spruch des Landgerichts beeindrucken läßt und keine Anklage erhebt, wird es schon bald viele neue Falschparker geben, die mal eben Kriegsgerät an Südafrika und andere Diktaturen liefern und das zu erwartende Bußgeld gleich vom Besteller mitbezahlen lassen.
Reinhard Krämer
Der Autor ist Mitarbeiter der Grünen im Bundestag
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