: „Cabinet„-Umbildungen in der DDR
■ Zigaretten zwischen Altenburg und Zwickau: Wie konservativ sind die RaucherInnen in der DDR?
Von Thorsten Simon
Für die Verkäuferin im Ostberliner Teil der Friedrichstraße, kurz nach der Währungsunion, war die Sache klar: „Meine Kunden mußten sich schon längst umstellen“. Sie zeigt auf das Zigarettenangebot ihres Tabakladens - keine Marke aus der DDR ist mehr dabei. Sie habe sich bei der zuständigen Wirtschaftsbehörde erkundigt, wer denn die Kosten trage, wenn sie weiterhin DDR-Marken verkauft. Das Amt habe sie beschieden, dafür sei sie nun selbst zuständig. Da habe sie eben auf die angestammten DDR-Produkte verzichtet.
Vor dem Fall der Mauer war nicht nur die Verkäuferin, sondern auch der gesamte DDR-Zigarettenmarkt abgeschirmt. DDR-RaucherInnen galten als konservativ, scheiterten doch Umgestaltungen bestehender Marken und Neueinführungen ziemlich schnell. Zigarettenwerbung war in der DDR verboten
-eine der erfreulichen Errungenschaften des Sozialismus. Demzufolge gab es auch kein Markenbewußtsein, das mit einem Image verbunden ist. Die Zigarettenindustrie in der DDR sollte kaum mehr als die Versorgung mit Rauchwaren gewährleisten.
Über die Gestaltung der Packungen, seufzen nun bundesdeutsche Design-Strategen, können sich die DDR-Werber kaum Gedanken gemacht haben. Zuweilen scheint es, als ob hier alles versucht worden ist, um RaucherInnen von ihrer gesundheitsschädlichen Tätigkeit abzuhalten: Die Packung der 'F6‘, der Nummer zwei zwischen Altenburg und Zwickau, verspricht als Inhalt eher Filtertüten als Zigaretten. Resultierte das konservative Rauchverhalten der DDR -BürgerInnen daraus, daß es kaum Alternativen zu ihren angestammten Marken gab? Schmeckte ihnen die 'Cabinet‘ oder die 'F6‘, weil sie wußten, daß sich in einer schlecht gestalteten und schlampig verarbeiteten Packung trotzdem ein schmackhaftes Produkt verbergen kann? Griffen sie zu, weil die Packung so und nicht anders aussah? Untersuchungen, die über reine Marktstudien hinausgehen (siehe Kasten), sind nicht bekannt und jetzt auch nicht mehr anzustellen.
Der Weltkonzern Philip Morris, in den USA und Europa ohnehin führend, ging jedenfalls auf Nummer Sicher, als dem VEB Kombinat Tabak Dresden im April 1990 ein Gesamtübernahmeangebot vorgelegt wurde. Mit einem Schlag hätten die 'Marlboro'-Cowboys den Zigarettenmarkt eines ganzen Landes erhalten, die Produktionsstätten für Tabakverarbeitung, Zigaretten-, Zigarillo- und Zigarrenproduktion und als Dreingabe noch die für Rauch-, Kau- und Schnupftabak. Damit verbunden waren die Patentrechte für 12 Zigaretten-, 56 Zigarren-, 21 Rauchtabak -, 3 Kautabak- und 4 Schnupftabakmarken und sämtliche Tabakrezepturen - zehn bis zwanzig Tabaksorten pro Marke, die Schlüssel zu den Herzen und Lungen einer ganzen Nation. Doch dieser Coup, der den Anteil von Philip Morris auf dem gesamtdeutschen Tabakmarkt von 28 auf 45 Prozent katapultiert hätte, gelang nicht. Die neue Wettbewerbsbehörde der DDR legte ihr Veto ein.
Mit dem 1. Mai '90 erlosch die juristische Funktion des Kombinats Tabak Dresden. Die neun Betriebe wurden in GmbHs zerlegt, die Patentrechte für die Marken auf vier Betriebe verteilt. 'Cabinet‘ etwa landete bei der Nortak Nordhausen GmbH, 'Club‘ bei der Berliner Zigarettenfabrik, 'Karo‘, 'F6‘ und 'Juwel‘ bei der Zigarettenfabrik Dresden. Kaum eigenständig, wurden sie von den West-Konzernen geschluckt: Die Nortak wurde von Reemtsma, der Nummer zwei in der BRD, übernommen. Dresden fusionierte mit Philip Morris, und vor dem Berliner Werk weht inzwischen die Reynolds-Fahne mit dem Kamel.
Die ersten Ergebnisse dieser „Zusammenarbeit“ sind inzwischen in den Läden zu bewundern - langsam wird das äußere Erscheinungsbild der Marken modernisiert. Die 'Cabinet'-Packung ist ein Beispiel dafür, wie vorsichtig bei der Umgestaltung vorgegangen werden muß. Die ersten Veränderungen waren mit flüchtigem Blick kaum zu erkennen. Es wurde ein gestrichener („weißer“) Karton gewählt, wodurch die Farben viel strahlender daherkommen. Anstelle des vormals schmutzigen Gelb wurde Gold verwendet, und das etwas angehobene Wappen ist nicht mehr das des Kombinats, sondern das der Nortak. Im nächsten Durchgang wurde die Packung schlanker, mit Folie umgeben und auch teurer - sie enthält zum gleichen Preis nicht mehr 20, sondern nur noch 19 Glimmstengel.
Die Zukunft der DDR-Zigarettenmarken hängt einerseits von der Markentreue der RaucherInnen, andererseits von der Vermarktungsstrategie der neuen Eigentümer ab. Reemtsma -Vorstandssprecher Staby etwa möchte anstelle des Regionalisierungs-Konzepts die DDR-Marken auf einem möglichst hohen Niveau halten, wobei natürlich ein starker Marktanteil für die Reemtsma-Marken in der DDR angestrebt wird. Das deckt sich mit den Erfahrungen der Verkäuferin in den Friedrichstraße. Zehn Tage nach der Währungsunion hat sie die DDR-Marken wieder im Laden und berichtet: „Die Kunden sind richtig erleichtert, daß sie ihre alten Marken wiederhaben.“
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