: Mangelnde Konzentration und Routine
■ Die Handballfrauen aus der BRD unterlagen den Norwegerinnen in zwei Spielen mit 19:20 und 20:21
Aus Bremen Jürgen Francke
Bei der Fußballweltmeisterschaft in Italien konnte der Eindruck entstehen, daß die deutsche Nationalhymne so etwas wie eine späte aber unüberhörbare Akzeptanz zurückerhalten hätte. Singende Horden auf den Straßen ließen jeder sensiblen Alt-Linken die Nackenhaare kräuseln, und sogar in der DDR soll es Menschen gegeben haben, die vor dem Fernseher erfürchtig aufgestanden waren, wenn das Haydn'sche und von Fallersleben'sche Machwerk erklang.
In Bremen war mal wieder alles anders. Eine einzige Dame in schwarz bewegte unter 2.500 BesucherInnen die Lippen. Vielleicht lag es an der Sportart Handball, vielleicht haben die BremerInnen mit nationalen Symbolen wirklich wenig am Hut.
Wenn es nicht doch einen Grund gegeben hätte, man könnte meinen, es galt, das Sommerloch zu überbrücken. Ein Handball -Länderspiel der Frauen zwischen der Bundesrepublik und Norwegen sollte in der Bremer Stadthalle die ZuschauerInnen vom Badesee an den Spielfeldrand locken, um mitzuerleben, wer denn nun aus dem 19er-Kader von Bundestrainer Uli Weiler zu den Glücklichen gehören würde. Denn die eigentlich spielfreie Saure-Gurken-Zeit wird vom Deutschen Handballbund dazu genutzt, die Fahrkarten für die A-Weltmeisterschaft im November in Seoul zu verteilen.
Das Spiel selbst war eins von vielen, nicht mehr. Die skandinavische Frauschaft „war der erwartet schwere Gegner“ (Weiler), und das stimmte sogar trotz des Allgemeinplatzes. Immerhin waren die Norwegerinnen bei der letzten WM Dritte und gewannen bei den Olympischen Spielen in Korea Silber. Daß sie dann über weite Strecken des Spiels mit ein, zwei Toren zurücklagen, war die Schuld ihrer zu hart zupackenden Abwehrreihe und der Cleverness der deutschen Altstars Elena Leonte und Dagmar Stellberg.
Die Ex-Rumänin Leonte verwandelte ihre vier Strafwürfe sicher, und die Neu-Bremerin Stellberg schien als einzige im DHB-Team an einer klaren spielerischen Linie interessiert zu sein. Kein Wunder also, daß Weiler der 32jährigen, die nach langer Rücktrittspause zum ersten Mal wieder in schwarz-rot -gold abgesetzten Socken, Hose und Trikot spielte, gleich einen Freifahrtschein nach Südostasien ausstellte.
Was soll er auch machen? Die 19:20-Niederlage zum Schluß war nur ein Ausdruck mangelnder Konzentration gegen Ende der Begegnung und von fehlender Routine. Da half es auch nicht, sich einzureden, der kürzliche Gewinn der B-Welmeisterschaft in Dänemark und die daraus resultierende Qualifikation für die A-WM würden den Norwegerinnen schon den nötigen Respekt einflößen. Die waren einfach geschickter im Angriff und vor allem schneller als die Abwehr der Gastgeber.
So gesehen ist der Einbau der „Ausländerinnen“ Orban und Leonte sowie der im September spielberechtigen DDR -Rückraumspielerin Katja Kittler ein Glücksfall für den deutschen Handball. Da die einstmals glorreichen Männer nur mit Mühe einer dauerhaften Drittklassigkeit entgangen sind, ruhen nun alle Hoffnungen der Funktionäre auf den weitaus erfolgreicheren Frauen.
Daß ohne die Naturalisierung von Sportlerinnen und Sportlern aus dem Ausland im bundesdeutschen Sportgeschäft gar nichts mehr läuft, ist längst abgemachte Sache. Beim Bremer Erstligisten TuS Walle zum Beispiel, der das Länderspiel werbewirksam vermarktete, werfen mit Elekes, Orban, David und Fittinger allesamt Frauen geldbringende Tore, deren Grundschulerlebnisse eher durch sozialistische Kaderschulungen geprägt waren, denn durch den Hasenheider Geist eines Herrn Jahn. Nun ist das Handballspielen ihr Broterwerb.
Die Zukunft der deutschen Handballerinnen ist trotz der WM -Teilnahme diffuser denn je, denn auch dem DHB hockt das Vereinigungsgespenst im Rücken. Auch wenn viele DDR -Spielerinnen bereits bei West-Klubs angestellt sind, wird nach dem allumfassenden Schulterschluß der Andrang von potentiellen Nationalspielerinnen, die ihren Marktwert erhöhen wollen, noch zunehmen. Ob der Bundestrainer dann noch der walroßbärtige Weiler sein wird, steht ebenfalls in den Sternen. Sein Vertrag läuft Ende des Jahres aus. Ein dunkler Schatten in persona des jetzigen Auswahltrainers der DDR schwebt schon über ihm. Insider haben Weiler jedenfalls schon für das Amt des Jugendbetreuers vorgeschlagen.
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