: Keine Waschanlage für DDR-Autoren
■ Konflikt um Vereinigung von West- und Ost-PEN / Ex-DDR-Autoren wollen nicht als Waschanlage für belastete DDR-Autoren fungieren / Interview mit Carl Amery, Präsident des westdeutschen PEN
Am vergangenen Freitag hatte das Präsidium des bundesdeutschen PEN-Zentrums Ex-DDR-SchriftstellerInnen wie Sarah Kirsch, Günter Kunert, Hans-Joachim Schädlich und andere zu einem „vertraulichen Informationsgespräch (Yaak Karsunke) nach Berlin geladen, um die Möglichkeiten einer Vereinigung mit dem PEN-Zentrum der DDR zu erörtern.
Hauptanliegen der Sitzung war herauszufinden, wer von den gegenwärtigen Mitgliedern des DDR-PEN für die exilierten DDR -Autoren als Mitglied eines gesamtdeutschen PEN „unzumutbar“ wäre. Der Generalsekretär des bundesdeutschen PEN, Schwarze, hatte auf der diesjährigen Tagung des westdeutschen PEN in Kiel noch gesagt, die Vergangenheit des DDR-PEN müsse jeder „mit sich selbst ausmachen“.
Jetzt haben sich prominente Ex-DDR-Schriftsteller geweigert, als ehemalige Opfer von Ausschluß und Bespitzelung für eine „Waschanlage“ für Leute in Dienst genommen zu werden, die „eine weiße Weste brauchen.“ In dem PEN der DDR ist etwa der frühere stellvertretende Kulturminister Klaus Höpcke Mitglied, der als oberster Zensor des Landes die Buchproduktion kontrollierte und mit einem Hetzartikel im 'Neuen Deutschland‘ die Jagd auf Wolf Biermann eröffnete. In seine Amtszeit fällt die Vertreibung von Günter Kunert, Sarah Kirsch und Rainer Kunze.
Die „interne Besprechung“ des PEN in Berlin platzte und verursachte in der bundesdeutschen Literatur-Szene eine weitere heftige Debatte über den Umgang mit der Vergangenheit der DDR-Intellektuellen.
Die taz befragte den bundesdeutschen PEN-Präsidenten Carl Amery, wie es nach der geplatzten Veranstaltung mit der Zusammenarbeit zwischen dem PEN-Zentrum der DDR und dem westdeutschen PEN weitergehen soll.
Carl Amery: Ja, also, was in dem ganzen Wirbel verlorenzugehen droht, ist die Tatsache, daß weder der DDR -PEN noch wir eigentlich Wert auf die Vereinigung legen. Da ist vorläufig überhaupt keine Rede davon. Die einzige Rücksichtnahme, die in dem Zusammenhang notwendig wäre, ist die Struktur des DDR-PEN, die eine Wiedervereinigung nicht aushält.
taz: Was heißt das konkret?
Die sind ganz anders organisiert. Erstens haben sie sehr wenig Mitglieder, von den Beiträgen haben sie nicht gelebt. Sie haben einen vollamtlichen oder jedenfalls halbamtlichen, vom Kultusministerium besoldeten Geschäftsführer gehabt. Und diese Verhältnisse lassen sich natürlich bei einer Wiedervereinigung nicht aufrechterhalten.
Was ist denn mit den Unterschieden in den Statuten? Im DDR -Statut ist von „Kampf gegen die Zensur“ entgegen der internationalen PEN-Charta nicht die Rede.
Ja, das müßte alles geprüft werden.
Und warum ist es überhaupt zu dieser Veranstaltung gekommen?
Wir vom Präsidium aus hatten das Bedürfnis, unseren zu Recht tangierten Mitgliedern, die aus der DDR gekommen waren infolge eigener unerträglicher Verhältnisse, jede nur mögliche Gelegenheit zu geben, sich in der Sache auszusprechen.
Also der berühmte Knackpunkt, welche Leute dürfen nicht aufgenommen werden vom DDR-PEN, war ja nur ein kleiner Teil dessen, was wir vom Präsidium aus besprechen wollten.
Was halten sie von dem Argument, daß sich Ex-DDR-Autoren nicht in eine Denunzianten- oder Richter-Rolle hineinbegeben wollen?
Ich finde das sehr respektabel und sehr interessant. Das ist genau der Punkt. Ich meine, wenn individuelle Zuwahlgesuche erfolgen würden von Leuten, die jetzt in der DDR leben, dann müßten wir notgedrungen mit einer erweiterten Zuwahlkommission arbeiten.
Was halten sie von dem Vorschlag, daß der DDR-PEN sich auflöst und einzelne Autoren eine neue Mitgliedschaft beantragen ?
Das wäre schon das Verfahren. Wenn sich der DDR-PEN auflöst und dann individuelle Anträge gestellt werden, stehen wir trotzdem vor dem Dilemma, daß viele unserer Mitglieder vielleicht aus durchaus berechtigten Gründen sagen, in dem Verein möchte ich dann selber nicht mehr sein.
Genau dann träte der Fall ein, daß die Zuwahlkommission, meinem Gefühl nach jedenfalls, eine zusätzliche Funktion erhalten würde zu der bisherigen rein qualitativen Beurteilung des Autors.
Haben sie eine Information, daß der DDR-PEN sich vielleicht überlegt, sich aufzulösen?
Nach meinem bescheidenen Informationen scheint das noch kein Problem zu sein.
Letzte Frage: Stehen Sie zu Ihrer Erklärung, daß die derzeitige Intellektuellendebatte in westdeutschen Feuilletons mit einem postmodernen McCarthyismus zu vergleichen sei?
Erstens kann ich nur sagen, ich bin alt genug, um zu wissen, was der McCarthyismus war, aber ich kann mich noch sehr genau erinnern, was das damals für die Bibliotheken, Amerikahäuser und so weiter bedeutet hat. Es war zuhauf literarische Klassifikation damit verbunden. Es war nicht so, daß es nur um Denunziationen ging.
Aber es werden doch heute keine Bücher aus den Regalen genommen.
Das wäre dann nicht postmodern. „Postmodern“ enthält eine Ironie, die ja hier grundsätzlich nicht verstanden wird.
Interview: Reinhard Mohr
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen