: Rüstung: „Extremwerte im Lande Bremen“
■ Unter allen Bundesländern ist Bremen am stärksten von Bundeswehr-Aufträgen abhängig
Elf große Bremer Firmen haben Bremer Forscher erst „herauskristallisiert“, dann „durchgezählt“. Sodann haben die Forscher noch kleinere Betriebe und Zulieferer hinzuaddiert. Ergebnis: Rund 15.000 Bremer Arbeitsplätze sind abhängig von der Rüstungsgüterproduktion für Bundeswehr und NATO. Und: Im Ländervergleich weist das Land Bremen „Extremwerte“ und „mit Abstand die stärkste Abhängigkeit“ auf.
Für Bremen errechneten die Wissenschaftler vom „Bremer
Ausschuß für Wirtschaftsfor schung“ eine Abhängigkeitsrelation von Rüstungsaufträgen in Höhe von 4,16. Der Durchschnittswert für die westdeutschen Bundesländer, über die letzten zehn Jahre hinweg ermittelt, liegt bei 1. Für Niedersachsen beträgt die Relation nur 0,43.
Diese Zahlen stellte der Leiter des Ausschusses für Wirtschaftsforschung, Dr. Wolfram Elsner, gestern der Presse vor. Elsner ist gleichzeitig Leiter der neugegründeten „Arbeitsgruppe wirtschaftliche Folgen der Abrüstung
für das Land Bremen“. Dieser Arbeitsgruppe gehören nur Behörden-MitarbeiterInnen an, sie ist damit kein unabhängiges Beratungs-Gremium; sie soll jedoch Kontakt aufnehmen mit Kammern, Verbänden, Unternehmen und Abrüstungs -Initiativen.
Anlaß für die Bremer Forschungen sind nicht plötzliche, pazifistisch-moralische Abrüstungsanwandlungen des Senats, sondern das Bestreben, sich zu rüsten für den Fall, daß das Bundesverteidigungsministerium seine Rüstungsaufträge im Zuge der
weltweiten Entspannung herunterfährt. Im Kapitel „Handlungsmöglichkeiten“ schreiben die Forscher denn auch, daß sich die betroffenen Unternehmen „neu orientieren“ sollten. Um „den Zug nicht zu verschlafen“, so Wolfram Elsner, müßten vor allem die Manager flexibler werden. Die Manager aus den Rüstungsunternehmen seien leider „abgeschottete Märkte“ gewöhnt und müßten sich erst einmal den rauhen Wind des freien Weltmarktes um die Nase wehen lassen. Technologisch gesehen seien die Rüstungsbetriebe dagegen für die Abrüstung gerüstet, da ihre High-Tech sowohl zivil als auch militärisch nutzbar sei.
Elsner betonte, daß die Rüstungsindustrie im Gegensatz zu anderen schrumpfenden Branchen nicht „altindustriell“ sei und
deshalb Ersatzarbeitsplätze innerhalb der Rüstungsbetriebe selbst geschaffen werden könnten. Einige Bremer Waffenschmieden hätten bereits angefangen, sich umzuorientieren, andere seinen noch immer zu hundert Prozent vom Verteidigungsministerium abhängig. Er erwarte, daß es in Bonn zu gezielten Umschichtungen komme, weg vom Verteidigungshaushalt hin zum Umwelt-, Wirtschafts-und Forschungsressort: „Wir haben die dringende Bitte an den Bund, uns bald genau zu sagen um wieviel Prozent der Verteidigungshaushalt reduziert und welche Systeme abgebaut werden sollen.“ Technologisch sei es für die Bremer Werften schließlich kein Problem, sich von Fregattenbau umzustellen auf Tankersicherheitstechnik.
B.D.
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