: Rudert Kohl vom Wolfgangsee an den Golf?
■ Immer mehr europäische Staaten wollen das Krisenmanagment am Golf nicht allein den USA überlassen - und auch in Bonn mehren sich die Stimmen, die einen Einsatz der Bundeswehr in der erdölreichsten Region der Welt fordern. Doch noch steht solchen Wünschen das Grundgesetz entgegen. Es verbietet Operationen deutscher Soldaten außerhalb des Verteidigungsgebiets der Nato. Außenminister Genscher schließt den Einsatz der Bundeswehr unter UNO-Flagge aus - bevor nicht die Verfassung geändert ist.
Deutsche Soldaten
Man hatte sich auf die denkbar weiteste Formulierung geeinigt: „Im Rahmen ihrer rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten“ werde sich die Bundesregierung zusammen mit den Staaten der Westeuropäischen Union (WEU) an einem möglichen Vorgehen in der Golfregion beteiligen. Dies beschied Regierungssprecher Dieter Vogel am Dienstagnachmittag in Bonn. Und auch am Mittwoch wollte die Bundesregierung nicht kundtun, wie weit der „rechtliche und tatsächliche Rahmen“ überhaupt ist. Es sei, so Vogel, noch keine Entscheidung gefallen. Vorbereitungen, Schiffe der Bundesmarine außerhalb des Verteidingungsgebietes der Nato einzusetzen, seien noch keine getroffen worden. Überdies spekulierten weder Bundesregierung noch Bundeskanzler jetzt darüber, welche möglichen Entscheidungen beim Treffen der WEU am nächsten Dienstag in Paris getroffen werden könnten. Erst im Kontext möglicher WEU-Beschlüsse werde die Bundesregierung ihre Entscheidungen treffen.
Genauer wollte Dieter Vogel für die Regierung nicht sprechen. Unbeantwortet blieb also die entscheidende Frage: Wird die Bundesrepublik im Golfkonflikt militärisch eingreifen? Vielleicht, scheint Bundeskanzler Helmut Kohl zu sagen. Nach Angaben aus der italienischen Regierung hat er ihr nämlich zugesagt, Schiffe der Bundeswehr in den Golf zu senden, falls sich die WEU nächste Woche entschließe, die USA militärisch zu unterstützen. Die 'International Herald Tribune‘ behauptet in ihrem gestrigen Leitartikel, Kohl habe die Niederlande und Belgien ausdrücklich ermuntert, als WEU -Staaten am Golf initiativ zu werden, damit die BRD nachziehen könne.
Nach Angaben seines Sprechers Vogel lehnt es der Bundeskanzler nicht dezidiert ab, das Grundgesetz so zu interpretieren, daß ein Einsatz der Bundeswehr im Golf möglich wäre. Einige wenige regierungsnahe Verfassungsrechtler seien nämlich der Ansicht, daß der einschlägige Artikel 87 des Grundgesetzes eine Beteiligung der Bundeswehr außerhalb des Nato-Geltungsbereiches sehr wohl zulasse.
Nein, kommt nicht infrage, tönt es dazu aus dem Außenministerium. Den blauen Helm der UNO-Friedenstruppen könnten international zwar auch Bundeswehrsoldaten tragen jedoch nur nach einer Verfassungsänderung. Dies ließ gestern Hans-Dietrich Genscher mitteilen. Einen Konflikt zwischen Helmut Kohl und dem Außenminister wollte der Sprecher des Auswärtigen Amtes allerdings nicht erkennen.
Für die Bonner Opposition ist vor allem der „rechtliche Rahmen“ für einen militärischen Einsatz im Golf weiterhin viel zu eng. Zwar hatten einige SPD-Politiker am Wochenende eine Änderung der Verfassungsbestimmung, die ein deutsches Engagement außerhalb des Nato-Gebietes verbietet, nicht mehr ausgeschlossen. Gegen eine solche „Verfassungsmanipulation zum jetzigen Zeitpunkt“, sprach sich jedoch am Mittwoch der außenpolitische Sprecher der Partei, Karsten Voigt, aus. Wie er dem „Radiodienst Bonn“ mitteilte, denkt man in der SPD daran, die spätere gesamtdeutsche Verfassung so zu ändern, daß die Bundeswehr danach als Teil von UNO-Verbänden tätig werden könnte.
„Einen faulen Trick, einen Versuch, ein Schlupfloch für eine militärische Beteiligung zu graben“, sieht der SPD -Abrüstungsexperte Hermann Scheer in den Verabredungen der deutschen und der italienischen Regierung, gegebenfalls im Rahmen der WEU tätig zu werden. Seine Begründung: Der WEU -Verteidigungsvertrag beziehe sich eindeutig auf einen Angriff auf ein WEU-Mitgliedsland und deshalb ausschließlich auf Europa. Scheer ist sich sicher: „Bei dieser unhaltbaren Ausdehnung des WEU-Vertrages auf außereuropäische Staaten wird das Auswärtige Amt nicht mitmachen.“ Ein direktes militärisches Eingreifen der WEU schloss deren Sprecher Jürgen Chrobog gestern in der Tat aus. Allerdings betonte Chrobog auch, daß der WEU eine „Koordinierung“ von Aktionen einzelner Mitgliedsstaaten erlaubt sei.
Ferdos Forudastan
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