piwik no script img

WEU tastet sich an den Golf heran

■ Vorläufig noch kein Beschluß zur Entsendung einer gemeinsamen WEU-Streitmacht an den Golf

Aus Paris Andreas Zumach

Die Außen- und Verteidigungsminister der sieben WEU -Mitgliedsstaaten haben gestern in Paris keinen Beschluß zur Entsendung einer gemeinsamen militärischen Streitmacht in den Golf gefaßt. Sie vereinbarten lediglich eine Koordination unter denjenigen WEU-Staaten, die ohnehin Streitkräfte unter nationaler Kontrolle in die Krisenregion schicken. Die Bonner Minister Stoltenberg und zurückhaltender - Genscher sprachen sich für eine baldige Grundgesetzänderung aus, um künftig eine Teilnahme deutscher Soldaten an UNO-Einsätzen zu ermöglichen. Genscher sagte aus der WEU-Tagung „politische und ökonomische Hilfe“ für diejenigen Staaten zu, die wegen der Einhaltung des UNO -Embargos gegen Irak Nachteile erleiden.

Der Tagung lag ein Vorschlag der niederländischen Regierung zur Entsendung einer gemeinsamen WEU-Flotte in den Golf vor. Innerhalb des gemeinsamen Verbandes sollten die Schiffe der einzelnen WEU-Mitgliedsstaaten jedoch unter nationaler Einsatzkontrolle verbleiben und des Embargo-Bruchs verdächtigte Frachtschiffe lediglich „registrieren und verfolgen“, nicht jedoch mit militärischen Mitteln aufhalten.

Der Vorschlag wurde jedoch aus zwei Gründen abgelehnt: wegen der Bonner Entscheidung vom Montag abend, vor einer Grundgesetzänderung keine Soldaten in die Golfregion zu schicken, und weil der UNO-Sicherheitsrat bis gestern noch nicht die Anwendung militärischer Mittel zur Durchsetzung des gegen Irak verhängten Wirtschaftsembargos beschlossen hatte. Die WEU-Minister appellierten an den UNO -Sicherheitsrat, einen entsprechenden Beschluß umgehend zu fassen.

Genscher und Stoltenberg erklärten nach der Sitzung, die „besondere Verfassungssituation“ in der BRD sei bei den WEU -Partnern auf „volles Verständnis“ gestoßen. Stoltenberg fügte die „persönliche Bemerkung“ an, die Diskussion unter den WEU-Ministern habe „noch einmal unterstrichen, wie notwendig die Debatte über eine Grundgesetzerweiterung“ sei, die „die Beteiligung deutscher Streitkräfte an internationalen Maßnahmen auf der Basis von UNO-Beschlüssen“ ermöglicht. Genscher erklärte zurückhaltender, er und Stoltenberg hätten „die WEU-Partner darüber informiert, daß die Bundesregierung mit den Bonner Oppositionsparteien die Erörterung dieser Frage begonnen“ habe.

Stoltenberg dementierte Meldungen, wonach die ins östliche Mittelmeer geschickten Minensuchboote der Bundesmarine den USA übergeben würden. Das käme „nicht in Frage“. Bislang habe Bonn „auf Washingtons Anforderungen hin“ den USA zehn Spezialpanzer zum Aufspüren von Landminen zur Verfügung gestellt. Weitere Unterstützungsmaßnahmen würden auf entsprechenden Wunsch hin geleistet.

Nach der Ministertagung trat der Koordinationsausschuß derjenigen Staaten zusammen, die, wie bislang unter anderem Großbritannien, Frankreich, Belgien und die Niederlande, Schiffe in den Golf geschickt oder ihre Entsendung angekündigt haben. An der Ministertagung hatten auch die Nicht-WEU-Mitglieder Türkei, Dänemark und Griechenland teilgenommen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen